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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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und Gewissen. Die meisten Ärzte gehen nicht davon aus, dass ihre Patienten sie anlügen.«
    »Kay, was Sie da sagen, sind Allgemeinplätze«, sagte er.
    »Ich möchte nicht in einer Position sein, in der ...«
    »Kay, das Gesetz schreibt vor, dass der Leichenbeschauer eine Untersuchung durchführen soll, deren Zweck es ist, die Ursache und Art des Todes herauszufinden und in schriftlicher Form festzuhalten. Das ist sehr allgemein. Es gibt Ihnen das volle Untersuchungsrecht. Das Einzige, was Sie nicht tun können, ist, jemanden zu verhaften. Sie wissen das. Die Polizei wird das Manuskript niemals finden. Sie sind die Einzige, die es aufspüren kann.« Er sah mich geradeheraus an. »Es ist viel wichtiger für Sie und Ihren guten Namen als für die Polizei.«
    Ich konnte nichts dagegen tun. Ethridge hatte Sparacino den Krieg erklärt und mich zu seinem Soldaten gemacht.
    »Finden Sie das Manuskript, Kay.« Der Generalstaatsanwalt blickte auf seine Uhr. »Ich kenne Sie. Wenn Sie es sich in den Kopf gesetzt haben, dann werden Sie es auch finden oder mindestens herausbekommen, was damit geschehen ist. Drei Menschenmussten sterben. Darunter ein Pulitzerpreisträger, dessen Roman zufällig zu meinen Lieblingsbüchern zählt. Wir müssen dieser Geschichte auf den Grund gehen. Und darüber hinaus informieren Sie mich über alles, was Sie in Zusammenhang mit Sparacino herausfinden. Sie werden es doch wenigstens versuchen, oder?«
    »Ja, Sir«, antwortete ich. »Natürlich werde ich es versuchen.«
     
    Ich begann, indem ich mich hinter unsere Wissenschaftler klemmte.
    Die Dokumentenuntersuchung ist eine der wenigen wissenschaftlichen Methoden, bei denen man zusehen kann, wie sie Ergebnisse liefern. Sie ist so konkret wie Papier und so greifbar wie Tinte. Am späten Mittwochnachmittag hatten sich Will, der Leiter dieser Abteilung, Marino und ich schon einige Stunden mit ein paar Schriftstücken beschäftigt. Was wir herausfanden, war eine Warnung für uns alle drei, niemals das Saufen anzufangen.
    Ich war mir nicht sicher, was ich mir erhofft hatte. Es wäre vielleicht die einfachste Lösung gewesen, wenn wir gleich als Erstes herausbekommen hätten, dass das, was Miss Harper in ihrem Kamin verbrannt hatte, Beryls verschwundenes Manuskript gewesen wäre. Daraus hätten wir folgern können, dass Beryl es ihrer Freundin zur Aufbewahrung gegeben hatte und dass das Buch Enthüllungen enthielt, die Miss Harper nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangen lassen wollte. Der weitaus wichtigste Schluss wäre allerdings gewesen, dass niemand das Manuskript vom Tatort gestohlen hatte.
    Aber die Menge und die Art des Papiers, das wir untersuchten, ließ solche Schlüsse nicht zu. Es hatten sich nur sehr wenige unverbrannte Fragmente erhalten, von denen keines größer als eine Zehn-Cent-Münze war. Die wenigsten waren es wert, dass man sie mit Infrarot im Video-Komparator untersuchte. Bei den restlichen weißen Aschefetzen, deren Struktur ein bisschen an Seidenpapier erinnerte, konnten uns weder technische Geräte noch chemische Tests weiterhelfen. Sie waren so empfindlich, dass wir es kaum wagten, sie aus der flachen Pappschachtel zu nehmen, inder sie Marino eingesammelt hatte. Wir schlossen die Türen des Dokumentenlabors und stellten die Ventilation ab, um jede Luftbewegung möglichst auszuschließen.
    Es war eine frustrierende und diffizile Arbeit, mit Pinzetten federleichte Aschestücke hochzuheben und zu hoffen, auf einem von ihnen noch ein Wort entdecken zu können. Bisher wussten wir nur, dass die Seiten, die Miss Harper verbrannt hatte, aus hochwertigem Schreibpapier bestanden hatten, die mit einer Schreibmaschine mit Einmal-Karbonband beschrieben worden waren. Aus mehreren Gründen waren wir uns dessen ziemlich sicher. Minderwertigeres, holzhaltiges Papier wird schwarz, wenn man es verbrennt. Hadernpapier hingegen verbrennt unglaublich sauber, seine Asche ist fein und weiß wie die aus Miss Harpers Kamin. Die paar unverbrannten Fragmente, die wir untersuchen konnten, hatten aus Papier einer sehr guten Qualität bestanden. Mit Karbonband geschriebene Buchstaben verbrennen nicht. Die Hitze lässt sie zusammenschrumpfen, bis sie aussehen wie Kleingedrucktes. Manche Wörter waren noch vollständig lesbar und hoben sich in tiefem Schwarz von der weißen Asche ab. Der Rest war hoffnungslos zerstückelt und verrußt und sah aus wie Fetzen von winzigen Weissagungszettelchen, wie man sie in chinesischen Glückskeksen

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