Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
alles andere als glücklich aus, und ich hatte das Gefühl, dass der Grund, aus dem er uns hergerufen hatte, auch uns nicht gerade glücklich machen würde. Im Gegensatz zu ihm war Hanowell ruhig und gelassen wie immer. Er hatte graue Haare, Augenbrauen und Augen, sogar sein Anzug war grau. Immer, wenn ich ihn sah, machte er diesen grauen, schläfrigen Eindruck auf mich und wirkte so farblos und ruhig, dass ich mich manchmal fragte, ob er überhaupt einen Blutdruck hatte.
    »Mit einer Ausnahme«, begann Hanowell lakonisch, »waren die Fasern, die ich mir ansehen sollte, nicht besonders aufregend, Dr. Scarpetta. So habe ich zum Beispiel keine ungewöhnlichen Farben an ihnen gefunden, und auch die Formen der Querschnitte waren normal. Ich kam zu dem Schluss, dass die sechs Nylonfasern höchstwahrscheinlich verschiedenen Ursprungs sind. Darüber habe ich ja schon mit Ihrem Labor in Richmond gesprochen. Vier von ihnen stammen von einem Gewebe, wie man es für Autoteppiche verwendet.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Marino.
    »Wie Ihnen sicher bekannt ist, zerfallen Polsterbezüge und Teppiche aus Nylon ziemlich schnell unter der Einwirkung von Sonnenlicht und Hitze«, erklärte Hanowell. »Damit sie nicht ausbleichen oder in kurzer Zeit verrotten, färbt man die Fasern von Autoteppichen mit metallhaltigen Farben, die wie UV- undTemperatur-Stabilisatoren wirken. Mit Hilfe des Röntgenfluoreszenzverfahrens konnte ich in vier der Nylonfasern Metallspuren nachweisen. Natürlich kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass sie von Autoteppichen stammen, aber sie sind mit denen, die man dafür verwendet, identisch.«
    »Gibt es irgendeine Möglichkeit herauszufinden, von welchem Modell und welcher Automarke sie stammen?«
    »Ich fürchte nicht«, antwortete Hanowell. »Außer bei einer sehr ungewöhnlichen Faser, deren Eigenschaften patentiert sind, ist es vergeblich, den Hersteller dieser verdammten Dinger ausfindig machen zu wollen, besonders dann, wenn die in Frage kommenden Autos aus Japan stammen. Ich will Ihnen ein Beispiel hierfür geben. Das Rohmaterial für die Teppiche in einem Toyota besteht aus Plastikgranulat, das die Japaner aus unserem Land beziehen. In Japan erzeugen sie dann daraus die Fasern und spinnen sie zu Garn, welches wieder hierhergeschickt und zu Teppichen verarbeitet wird. Diese Teppiche werden dann abermals nach Japan verfrachtet, wo sie am Fließband in die fertigen Autos eingelegt werden.«
    Er sagte noch viel mehr zu diesem Thema, aber es wurde immer hoffnungsloser.
    »Auch Autos aus den USA bereiten uns Kopfschmerzen. Chrysler, zum Beispiel, bezieht die Autoteppiche einer bestimmten Farbe von drei verschiedenen Herstellern. Mitten im Jahr, mitten in einer Bauserie fällt es der Firma ein, den Hersteller zu wechseln. Nehmen wir einmal an, Lieutenant, Sie und ich fahren beide einen schwarzen LeBaron, 87er Baujahr, mit burgunderfarbener Innenausstattung. Es könnte gut möglich sein, dass der Teppich in meinem Auto von einem anderen Hersteller stammt als der Ihrige. Ich will damit sagen, dass ich die von mir untersuchten Nylonfasern nur nach ihrer Art unterscheiden kann. Zwei davon könnten von einem normalen Teppich stammen und vier von Autoteppichen. Die Farben und die Querschnitte sind unterschiedlich. Nehmen wir dazu noch die gefundenen Olefin-, Dynel- und Acrylfasern, dann haben wir ein höchst ausgefallenes Kuddelmuddel.«
    »Ganz offensichtlich«, warf Wesley ein, »hat der Mörder einen Beruf oder eine andere Beschäftigung, bei der er in Kontakt mit vielen verschiedenen Arten von Teppichen kommt. Und als er Beryl Madison umbrachte, trug er etwas, das alle diese verschiedenen Fasern an ihm haften ließ.«
    Bei Wolle, Cord oder Flanell wäre das der Fall, dachte ich. Aber man hatte weder Woll- noch Baumwollfasern gefunden, von denen wir annehmen konnten, dass sie vom Mörder stammten.
    »Wie ist das mit Dynel?«, wollte ich wissen.
    »Das findet man normalerweise bei Frauenkleidern, Perücken oder falschen Pelzen«, antwortete Hanowell.
    »Ja, aber nicht ausschließlich«, wandte ich ein. »Es gibt auch Hemden oder Hosen aus Dynel, die sich doch, ähnlich wie Polyester, statisch aufladen und damit alle möglichen Partikel anziehen würden. Das wäre eine Erklärung dafür, dass er so viele Partikel mit sich schleppte.«
    »Möglich«, gab Hanowell zu.
    »Vielleicht hat der Irre eine Perücke aufgehabt«, bemerkte Marino. »Wie wir wissen, hat Beryl ihn ins Haus gelassen, und das

Weitere Kostenlose Bücher