Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
Vom Netzwerk:
wiedererkennen.«
    »Niemand durchschaute ihn ganz.«
    »Er war immer so – ungeduldig mit mir, so als hätte ich ihn enttäuscht.«
    Wintermore lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. »Er sprach nicht viel über Sie, Kirby, aber wenn er es tat, spürte ich eine gewisse Angst bei ihm. Es war, als wartete er sehnsüchtig darauf, daß Sie endlich reif würden. Als hätte er eine große Aufgabe für Sie. Er war durchaus mit Ihrer Intelligenz zufrieden. Aber er befürchtete, daß Sie nie im Leben auf eigenen Füßen stehen würden.«
    »Ich habe es wirklich oft genug versucht.«
    »Davonlaufen und sich beleidigt in einer Höhle verkriechen, so nannte er es. Einmal fragte er in meiner Gegenwart, ob Sie Ihr Leben lang ein Einfaltspinsel bleiben würden. Verzeihen Sie, ich zitiere nur.«
    »Ich bin nicht beleidigt. Manchmal frage ich mich das gleiche.«
    »Wenn Omar Sie heute vormittag gesehen hätte, wären seine Hoffnungen gestiegen.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie waren großartig, mein Junge. Skeptisch, indigniert, indifferent. Ich hatte erwartet, daß Sie sich vielmals bei den Herren für jede Unannehmlichkeit entschuldigen und anschließend dankbar die angebotene Stellung akzeptieren würden.«
    »Ehrlich gesagt, ich staune, daß ich es nicht getan habe.« Kirby sah wieder durch das Teleskop, seufzte und steckte die Uhr in die Tasche. »Sollen sie eine Zeitlang zappeln. Ich werde sie vom Haken nehmen, wenn ich Lust habe. Vielleicht auch nicht. Ich weiß noch nicht.«
    »Sie glauben doch nicht, daß die Leute ruhig sitzen bleiben? Auf einen Gegenangriff müssen Sie sich schon gefaßt machen.«
    »Wenn es soweit ist, können Sie mir ja sagen, was ich tun soll. Sie sind mein Anwalt.«
    »Ich möchte wissen, was Omar im Sinn hatte. Schade, daß wir den Brief nicht öffnen können, den er für Sie hinterlassen hat. Aber ich habe mein Leben lang ethisch gehandelt, und das nur, weil ich wußte, daß ich mir nicht selbst trauen durfte. Wir haben einen Mister Vitts hier im Büro, einen Mann mit einer geradezu psychotischen Verläßlichkeit. Ich gab ihm den Brief zur persönlichen Aufbewahrung. Mister Vitts liebt solche Vertrauenssachen. Wenn man ihn in Öl sieden würde, so gäbe er den Brief dennoch nicht her.«
    »Vielleicht weiß ich mehr, bevor das Jahr um ist.«
    »Wenn Sie etwas vermuten, dann kommen Sie zu mir und verraten Sie es mir. Omar war ein merkwürdiger Mensch. Er machte keinen falschen Schachzug. Ich fragte mich oft, worin das Geheimnis seines Erfolges bestand, und die einzige Lösung scheint meiner Meinung nach darin zu liegen, daß er vor langer Zeit einen mathematischen Prozeß fand, mit dem er die Zukunft vorhersagen konnte. Das würde auch erklären, weshalb er solche Angst um Sie hatte. Denn die Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen, bringt eine furchtbare Verantwortung mit sich.«
    Kirby nickte mit gerunzelter Stirn. »Es wäre auch eine Lösung für seine hohen Spielgewinne von damals. Und später verlor er mit Absicht, um von den Leuten in Ruhe gelassen zu werden.«
     
    *
     
    Kirby ging von Wintermores Büro in einen benachbarten Drugstore und bestellte ein Sandwich mit Kaffee. Ein Wort rumorte in seinem Gehirn. Einfaltspinsel. Ein altmodisches Wort. Und doch gab es kein modernes mit der gleichen Bedeutung. Einfaltspinsel – der sanfte, ewig lächelnde, sich verkriechende Mensch, der sich entschuldigt, wenn ihm jemand auf den Fuß tritt, den man anpumpt, weil man weiß, daß er das Geld nie zurückfordern wird ...
    Komisch, warum hatte er auf der Konferenz anders als gewöhnlich reagiert? Gewiß, er hatte ihnen die Wahrheit gesagt, aber er hatte genau gewußt, wie sie darauf reagieren würden – und genau deshalb hatte er es getan.
    Als die dralle Bedienung zum Kassieren kam, hob er den Kopf zwei Zentimeter höher und sagte: »Der Kaffee ist die reinste Spüle.«
    »Wie?«
    »Der Kaffee ist die reinste Spüle.«
    Sie lächelte ihn hinreißend an. »Als ob ich das nicht selbst wüßte, Junge!«
    Er ging in eine der Telefonzellen und rief Wilma Farnham an. Sie antwortete mit kühler Stimme.
    »Kirby Winter. Ich versuchte Sie schon gestern zu erreichen.«
    »Was gibt es?«
    »Ich dachte, wir sollten uns einmal unterhalten.«
    »Wirklich?«
    »Was ist denn los mit Ihnen?«
    »Überhaupt nichts, Mister Winter. Das Büro ist geschlossen. Ich habe die Bücher den Anwälten übergeben. Im Moment bin ich auf Stellungssuche. Mister Krepps hat mir eine großzügige Übergangssumme gewährt, aber ich werde

Weitere Kostenlose Bücher