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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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ging in die Herrentoilette und schnitt sich im Spiegel Grimassen, bis jemand hereinkam ...
     
    *
     
    »Du Schlimmer«, sagte die sanft scheltende, liebevolle Stimme mit einem dunklen Gurren. »Wirklich, ein ganz Schlimmer bist du.« Finger strichen über seine Stirn. Er öffnete vorsichtig die Augen. Er sah eine dunkle Gebäudeecke über sich, dazu ein paar Sterne. Der Kopf, der sich über ihn beugte, verdeckte den übrigen Himmel.
    »Du liebe Güte«, flüsterte er.
    »Ja, Liebling, du hast zuviel getrunken.«
    Er bewegte den Kopf ein wenig. In seinem Nacken war etwas Glattes, Rundes, Warmes. Als er überlegte, was es sein könnte, strich die warme Nachtbrise über ihn hinweg, und er spürte, daß er völlig nackt war. Er setzte sich abrupt auf, und ein stechender Schmerz ging durch seinen Kopf. Charla nahm ihn an beiden Schultern und drückte ihn wieder an ihre Hüfte. Zumindest wußte er jetzt Bescheid. Er war auf einem Sonnenbalkon, lag auf einer Luftmatratze, und Charla hatte sich so hingesetzt, daß sie ihm als Kissen diente. Er war heilfroh, daß zwischen ihrer Hüfte und ihm wenigstens etwas dünner Stoff war.
    »Halte dich still, Liebling.«
    »Ich war nur ...«
    »Du Schlimmer«, gurrte sie. »Läßt sich einfach vollaufen. Und lügt mich an. Du solltest mich nicht anlügen. Du hast also Betsy getroffen.«
    »Für ein paar Minuten.« Er zögerte. »Wo sind meine Kleider?«
    »Hier auf dem Boden, Liebes. Nachdem wir dich hier heraufgebracht hatten und du ohnmächtig wurdest, haben wir dich ausgezogen. Dir war so heiß und elend.«
    »Oh.«
    »Ich bin wirklich böse auf dich. Du weißt wohl nicht, wer deine wahren Freunde sind, nicht wahr?«
    »Ich fühle mich nicht besonders wohl.«
    »Natürlich nicht. Und du kannst nicht schauspielern. Ruh dich jetzt aus. Du hast uns den heutigen Abend verdorben. Weißt du, daß du deiner Charla alles verdorben hast?«
    »Ich hatte doch keine Ahnung ...«
    »Dachtest du, ich würde ganz ordinär eine Vereinbarung mit dir treffen? Ich bin eine Frau, Liebling.«
    »Der Alkohol hat mich umgeworfen.«
    Die Fingerspitzen schlossen seine Augen und strichen sanft über seinen Mund. »Vielleicht warst du erschöpft, Liebling. Vielleicht hat die energische kleine Betsy all deine Kräfte verbraucht.«
    »Nein! Wir saßen in einem Hotel und unterhielten uns.«
    »In ihrem Hotel?«
    »Nein. Es war irgendein Hotel. Wir saßen im Foyer.«
    »Und du hast der verrückten Kleinen zugehört und an uns gezweifelt. Wo wohnt sie, Liebes?«
    »In einem Apartment.«
    »Weißt du die Adresse?«
    »Nein. Sie sagte, sie würde sich mit mir in Verbindung setzen.«
    »Sie weiß, daß du hierhergezogen bist?«
    »Ja.«
    »Und du wirst mir sofort Bescheid sagen, wenn sie dich aufsucht, ja? Sofort.«
    »Natürlich, Charla.«
    Sie seufzte. Er spürte die parfümierte Wärme ihres Atems an seinem Gesicht. »Du machst es mir schwer. Ich sagte dir doch, daß es bei mir mehr sein muß als nur ein bißchen Liebe. Und nun hast du mich angelogen. Das hat alles zerstört.«
    »Das tut mir leid. Bitte, verzeih mir.«
    »Ich werde es versuchen, Liebling.«
    Langsam küßte sie ihn, und er legte unwillkürlich die Arme um sie. Doch im nächsten Moment zuckte er zusammen und quiekte. Sie machte sich frei, lachte leise und ein wenig spöttisch und war verschwunden.
    Er lag eine Zeitlang unter den Sternen und dann ging er hinein und nahm eine eiskalte Dusche. Es war drei Uhr. Er stellte den Wecker auf neun. Nachdem er seine Kleider aufgehoben und hereingetragen hatte, ging er noch einmal hinaus auf den Balkon und setzte sich auf den rauhen Boden, die Arme um die Knie geschlungen, eine Zigarette im Mundwinkel.
    Charla hatte ihn durch ein winziges Zwicken zum Clown gemacht. Sie hatte ihm symbolisch gezeigt, daß sie seinen Stolz vernichten konnte, daß sie seine Würde zerstören konnte.
    Ein anderer Mann hätte sie vielleicht voller Empörung gepackt und vergewaltigt. (Aber vielleicht wollte sie das nur.)
    Er stöhnte, schnippte seine Zigarette in Richtung des Meeres und ging hinein.
     

 
5
     
    Das Konferenzzimmer lag im sechzehnten Stock, und durch das Fenster sah man einen Ausschnitt der Bucht, ein Stück Promenade und die pastellfarbenen, gleichförmigen Strandhotels.
    Es saßen acht Männer um den Tisch. Dr. Leroy Wintermore hatte sich links von Kirby niedergelassen. Zu seiner Rechten saß ein eckiger, blasser, bewegungsloser Kerl namens Hilton Hibber. Er vertrat die Bank, die in Omar Krepps' Testament als

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