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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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anziehen.«
    »Jesusmaria, ich bin schon ganz durchgedreht. Wo sind die Polypen?«
    »Die jagen den Falschen.«
    »Du hast einen anderen Kerl hingestellt?«
    »Und ein anderes Mädchen.«
    »Ganz schöne Arbeit, was?«
    »Ja, aber ab jetzt müssen wir aufpassen, Bonny Lee. Wenn zu viele Dinge passieren, die wir nicht erklären können, merken sie noch etwas.«
    Sie knöpfte ihre Bluse zu und schüttelte den Sand aus den Haaren. Dann stiegen sie in den Sunbeam. Zum Glück mündete die Ausfahrt des Parkplatzes nicht in die Straße mit der Verkehrsstauung.
    »Wie hast du eigentlich die ganze Verwirrung herbeigeführt?« fragte Kirby.
    »Das erzähle ich dir später.«
    »Wohin fahren wir?«
    »Wir brauchen einen sicheren Ort, oder? Ich breche jetzt mein größtes Tabu. Bis jetzt hat noch kein Mann meine Wohnung betreten. Das wissen alle. Du kannst ohne weiteres ungesehen hineingehen.«
    »Wie denn?«
    »Liebling, manchmal fragst du dämlich.«
    »Ach so, natürlich. Entschuldige.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zwanzig nach elf.«
    »Vormittags?«
    »Jawohl, Bonny Lee.«
     
    *
     
    Sie hatte ein Garagen-Apartment im alten Teil der Stadt, hinter einem pompösen Haus im spanisch-maurischen Stil. Sie erzählte ihm, daß man die Räume in Apartments gegliedert hatte, die jetzt hauptsächlich von alten Damen mit geringem Einkommen gemietet waren. »Sie tuscheln natürlich ganz schön, wenn ich morgens komme und abends gehe. Aber sie verscheuchen auch die Männer, und mit den meisten komme ich ganz gut aus. Sie bringen mir sogar Kuchen und ähnliches.«
    Sie erklärte ihm, wie er in die Wohnung gelangen könnte, und setzte ihn einen Block früher ab. Er schlenderte zehn Minuten durch die schmale schattige Straße mit ihren großen Alleebäumen. Dann lehnte er gegen einen Eisenzaun und schlüpfte in die rote Welt.
    Im Hinterhof des Hauses saßen drei alte Damen unter einem Sonnenschirm und strickten. Er betrat die offene Garagentür und ging nach rechts zur Treppe, wie sie es beschrieben hatte. Der Weg war mühsam. Das kleine Wohnzimmer wirkte durch die schwere Röte bedrückend, aber er konnte erkennen, daß es bei Tageslicht ein reizender kleiner Raum mit Korbmöbeln und bunten Kissen sein mußte.
    Bonny Lee war in ihrem kleinen Schlafzimmer. Sie hatte die Bluse ausgezogen und rieb eine Flüssigkeit in die Schürfstellen der Schulter.
    Er hatte noch eine Viertelstunde Zeit. Und er zögerte, in die wirkliche Welt zurückzukehren. Zu viel war auf ihn eingestürmt. Er setzte sich auf das Bett und erschrak im ersten Moment über die Härte. Aber dann erinnerte er sich, daß in der roten Welt alles härter und zäher war.
    Er sah Bonny Lee an, die zwei Meter von ihm entfernt auf einem Stuhl saß. Er erinnerte sich an ein Fernsehstück, das er vor längerer Zeit gesehen hatte. Eine Schaufensterpuppe – dargestellt von Ann Francis – war plötzlich lebendig geworden. Nachdem sie eine Zeitlang frei herumgelaufen war, wurde sie wieder in den Laden verbannt, und in der letzten Szene war sie steif und wächsern geworden. So sah Bonny Lee jetzt aus – steif und wächsern.
    Noch fünf Minuten. Er hielt die Uhr fest in der Hand. Sie war der einzige Gegenstand in dieser roten Welt, der leicht und handlich wirkte. Und er spürte eine überwältigende Achtung vor all dem, was die Uhr repräsentierte, vor all den Versuchungen, denen ihr Besitzer ausgesetzt war. Hier war absolute Macht und absolute Freiheit. Die Freiheit war so absolut, daß sie schon wieder zum Zwang wurde, zur Verhexung.
    Die Möglichkeiten, die er hatte, waren schwindelerregend, aber zugleich mißtraute Kirby sich. Die Verpflichtungen, die dieser Besitz mit sich brachte, waren hart. Er durfte die Uhr nur zu guten Zwecken verwenden. Und er mußte die Macht der Uhr verbergen.
    Angenommen, es gab fünfzig oder fünfhundert solcher Geräte auf der Welt? Chaos, Anarchie, Verwirrung und Furcht mußten folgen. Es wäre, als hätte sich eine Mutation des Menschen gebildet, der Übermensch, der Privatleben und Besitz der anderen bedeutungslos machte.
    Und er empfand eine tiefe Bewunderung für Omar Krepps. Zwanzig Jahre lang hatte er diesen Vorsprung gehabt, und er hatte es verstanden, ihn geheimzuhalten. Wenn er die Fähigkeiten, welche die Uhr ihm gab, zur Schau gestellt hätte, wären andere Wissenschaftler auf die Idee gekommen, Nachforschungen in der gleichen Richtung anzustellen. Ja, er konnte das Schema erkennen, nach dem Omar Krepps gelebt hatte ...
    Der Lärm und die

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