Flucht in die rote Welt
Augen eingebildet.«
»Sir?«
»Könnten Sie mir vielleicht sagen, wer hier eben vorbeikam?«
»Äh – zwei Frauen.«
Der Mann kam näher. »Junge, was haben die beiden Ihrer Meinung nach getragen?«
»Überhaupt nichts.«
Der Alte sah ihn kopfschüttelnd an. »Wenn ich in Ihrem Alter wäre, Junge, würde ich hinterherrasen. Und Sie bleiben einfach sitzen! Sind Sie krank?«
»Ich kam erst vorgestern von Michigan her. Vielleicht bin ich noch zu fremd. Hierzulande sind die Sitten sicher freier.«
»Nun, ich weiß nicht ...«
»Heiliger Florian, da kommt die nächste!«
Es war eine kleine sonnenverbrannte Rothaarige, die am Ende ihrer Kräfte zu sein schien. In einer Hand hatte sie ein Transistorgerät, in der anderen eine Thermosflasche.
Nachdem auch sie außer Sicht war, seufzte der alte Mann schwer. »Eines muß man Ihnen lassen, Junge. Sie haben sich den besten Aussichtspunkt gewählt. Glauben Sie, daß das die neue Mode wird?«
»Keine Ahnung.«
»Nun, ich hoffe es.« Er hielt die Hand über die Augen und sah zum Strand hinunter.
Plötzlich war Bonny Lee dicht neben Kirby und ließ ein Häufchen Papiergeld auf seinen Schoß flattern. Es verteilte sich auf der Bank und im Sand. Sie lachte noch einmal und war verschwunden.
Der Alte wirbelte herum. »Sie haben aber eine hohe Stimme, Junge. He, was verlieren Sie da?«
»Ach, das da?«
»Geld, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Kirby herzhaft. »Was denn sonst?« Er packte die Banknoten, bevor der Wind sie weitertragen konnte.
»Ich glaube, die Sonne hat mich erwischt«, meinte der alte Mann. »Ich gehe besser in den Schatten.« Er trollte sich.
Ein paar andere Leute waren in die Nähe gekommen und starrten das Geld neugierig an. Kirby sammelte es rasch ein. Bonny Lee hatte sich nicht mit Dollarscheinen abgegeben, und auch Fünfer waren nur wenige vertreten. Das Bündel war so dick, daß er es kaum in der Tasche der geborgten Hose unterbrachte. Er nahm Bonny Lees Kleider und ging in die nördliche Richtung. Er wußte, daß sie ihn jederzeit finden konnte, da er in der roten Welt reglos war. Er merkte, daß auf der Zufahrtsstraße ein furchtbares Verkehrschaos herrschte. In der Ferne klangen Polizeisirenen auf. Er kam an einem Mann vorbei, der langsam im Kreis herumging und sich mit der Faust gegen die Stirn schlug.
Plötzlich hatte Kirby eine neue Pfeife in der Hand, einen Rosenstrauß unter dem Arm und einen Goldring mit einem großen Diamanten am kleinen Finger. Bonny Lee stand in ihrer hübschen türkisblauen Unterwäsche neben ihm. Er wollte sie an der Hand nehmen, aber sie war schon wieder verschwunden.
Später erfuhr er, daß die Viertelstunde Abwesenheit in Wirklichkeit vier Stunden für sie gewesen waren, vier Stunden, in denen sie die tollsten Dinge angestellt hatte.
Aus Bonny Lees Mund klang es folgendermaßen: »Da schmorten sie in der Sonne, so nackt, wie es das Gesetz erlaubt, und versuchten sich einen Spielgefährten zu angeln. Ich fand es viel ehrlicher, auch die letzten Stoffreste zu entfernen, damit die Jungs auch sahen, woran sie waren. Ich habe eine halbe Stunde wie ein Roß geschuftet, bis ich die Dämchen ausgezogen hatte. Neun von zehn sahen mit Badeanzug besser aus als ohne. War das ein Spaß! Ich fiel mit meiner Unterwäsche gar nicht auf, weil sie alle noch viel weniger trugen.«
Kirby schüttelte den Kopf.
»Jesusmaria, Freund, du hättest es sehen sollen. Von sechzig Mädchen nahmen es vielleicht vier oder fünf kühl auf. Die anderen fingen zu kreischen an und suchten nach ihren Handtüchern, aber die hatte ich auch versteckt. Die einen rannten ins Wasser – und die Jungs immer feste hinterher – die ganz Schlauen klauten sich von anderen Leuten die Handtücher, und der Rest versuchte sich irgendwo zu verstecken. Ich mußte lachen, bis ich einen Schluckauf bekam. Zwei der Jungs nützten die Situation aus und wollten mir nahekommen, und da verschwand ich in die rote Welt und stülpte ihnen Sandeimer über den Kopf.«
»Und wie war das mit dem Geld?«
»Geld?«
»Das Geld, das du mir in den Schoß geworfen hast.«
»Ach so. Das holte ich von den Läden dort drüben. Jedesmal, wenn ich an einer offenen Kasse vorbeikam, angelte ich mir ein paar Noten. Aber bis ich das Zeug zu dir geschleppt hatte, das war eine Heidenarbeit!«
»Und die Verkehrsstauung?«
»Junge, das war die Wucht! Ich zog überall die Zündschlüssel ab und warf sie in den Abfallkorb an der Straßenecke. Alle hupten wie wild, aber keiner konnte weiter.
Weitere Kostenlose Bücher