Flucht in die rote Welt
sie. Sie setzte sich aufs Bett und rieb sich die Augen.
»Ich habe eine Menge Probleme zu lösen, Bonny Lee.«
Sie schleuderte die Sandalen von den Füßen und legte sich hin. »Ich kann jetzt nicht mehr denken, solange ich nicht geschlafen habe. Bist du nicht auch müde?«
»Doch.« Er setzte sich an den Bettrand und küßte sie fest.
Sie lachte leise. »Na, du hast noch schöne Energien.«
»Bonny Lee?«
»Nein, du würdest dein Talent jetzt nur verschwenden. Bitte, laß mich erst schlafen, Liebling. Warum legst du dich nicht auf die Couch?«
»Ich möchte nicht soviel Zeit mit Schlaf verschwenden ...«
Sie winkte mit einer raschen Handbewegung ab. »Gib mir mal die Uhr, Liebling.«
»Ich weiß nicht, ob ...«
»Ich möchte doch nur etwas ausprobieren, du Dummkopf! Ich bin viel zu müde, um irgend etwas anzustellen. Aber du mußt mir vertrauen, sonst kommen wir nicht weiter.«
Er reichte ihr zögernd die Uhr. Sie drückte das Rädchen nach innen. Im nächsten Moment lag sie in einer völlig anderen Stellung da – die Uhr ein paar Zentimeter von ihrer Hand entfernt, die Augen fest geschlossen. Als Kirby sie ansprach, gab sie keine Antwort. Er schüttelte sie. Sie murrte vor sich hin und drückte wieder das Rädchen der Uhr nach innen. Im nächsten Augenblick war sie nackt. Noch zweimal machte Kirby das Spiel mit. Dann schlug sie die Augen auf, streckte sich und gähnte wohlig.
Sie lächelte ihn an und sagte mit ihrer leisen, rauchigen Stimme: »Drei ganze Stunden geschlafen. Mmm. Und jetzt du.« Sie rutschte zur Wand. »Mach es dir richtig bequem, Liebling, denn in der roten Welt ist das Bett verdammt hart. Und zieh dich aus. Die Kleider fühlen sich wie Beton an.«
Er streckte sich aus und wanderte in die rote Welt. Als er wieder in die normale Welt zurückkehrte, lag Bonny Lee dicht neben ihm. Es war heller Tag. Ein wenig verschämt drückte er auf das Uhrenrädchen und schlief von neuem in der roten Welt ein. Bonny Lee rüttelte ihn wach. Ihr Gesicht war nur Zentimeter von dem seinen entfernt. »Ist das nicht wunderbar?« flüsterte sie.
Er gähnte und überlegte verwundert, wie rasch es Bonny Lee fertiggebracht hatte, alle Möglichkeiten der Erfindung auszuschöpfen.
»Ich habe mich oft über Onkel Omar gewundert«, meinte er. »Er schien manchmal vollkommen ohne Schlaf auszukommen.«
»Der alte Herr war großartig, Kirby. Möchtest du noch eine Stunde schlafen?«
»N-nicht jetzt.«
»Oh, ich glaube, heute breche ich alle Regeln, die ich mir gesetzt habe«, flüsterte sie und rückte näher an ihn heran. Sie war so dicht neben ihm, daß er die Wärme ihres Atems spürte. »Es ist so schön, dich zu lieben«, murmelte sie. »Du bist irgendwie so ängstlich und nervös dabei. Und süß. Weißt du, Kirby, du machst es wichtig. Und dabei wird mir ganz schwindelig und komisch.«
10
Kirby Winter und Bonny Lee Beaumont hatten eine herrliche Zeit. Zwischen ausgiebigen Schlafpausen in der roten Welt und erfrischenden Duschen beschäftigten sie sich intensiv miteinander. Kirby hatte das Gefühl, ein anderer Mensch geworden zu sein.
Er freute sich plötzlich über seinen Körper und seine Muskeln und fand Spaß an Spielen, die ihn früher mit Scham erfüllt hätten. Kurz – seine Verklemmung hatte sich gelöst. Und Bonny Lee half ihm dabei.
*
Sie hörten sich verblüfft die Zwei-Uhr-Nachrichten an. Danach kam ein viertelstündiger Bericht über Kirby Winters Abenteuer.
Erst als die Börsenberichte begannen, stellte sie das kleine Transistorgerät ab. »Noch verrückter als die Nachrichten finde ich die Tatsache, daß es erst zwei Uhr ist, Liebling. Jetzt wird nicht mehr geschlafen. Du weißt, was sonst wieder los ist. Wenn wir so weitermachen, sind wir bald völlig ausgepumpt.« Sie setzte sich auf. »Sag mal, sah dein Onkel Omar eigentlich älter aus, als er war?«
»Weshalb?«
»Ein Tag hat vierundzwanzig Stunden, Liebling. Weißt du auch, daß ich heute elf Stunden zusätzlich eingeschaltet habe? Wenn ich das jeden Tag machen würde, sähe ich plötzlich wie dreißig aus.«
»Doch, du hast recht. Er wirkte tatsächlich älter, als er war. Bonny Lee, hast du die Nachrichten nicht gehört?«
»Was soll denn die dumme Frage? Natürlich habe ich sie gehört. Die Kerle werden immer verrückter.«
»Ich habe also zwei Polizisten überwältigt, entwaffnet und mit ihren eigenen Handschellen gefesselt. Das heißt, daß ich ab jetzt als bewaffnet gelte.«
Sie kicherte. »Man wird
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