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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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was?«
    »Hinter denen ist der Boß doch her, oder?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wenn einer so viel klaut, kann er es nicht zusammenhalten. Der Nächstbeste nimmt es ihm ab. Die Millionen nützen überhaupt nichts, wenn man den Diebstahl nicht geheimhalten kann.«
    »Ich bin froh über den Rat eines Experten.«
    René kam langsam auf die Beine, nahm Kirbys Nase zwischen die schwieligen Finger und drehte sie herum. Es war eine degradierende und sehr schmerzhaft Geste. Kirby liefen die Tränen über die Wangen.
    »Mit mir mußt du freundlicher reden«, erklärte René. »Wir müssen lange miteinander auskommen.«
    Er setzte sich und begann seine schwarzen Fingernägel mit dem Taschenmesser zu stutzen. Ein paar Minuten vergingen, dann meinte Kirby. »Wann wollte uns Joseph hier abholen lassen?«
    »Wer?«
    »Mister Locordolos.«
    »Habe ich nicht gesehen. Nur der Boß war hier. Mrs. O'Rourke.«
    »Ach so.«
    René schüttelte traurig den Kopf. »Und diese Wilma war sehr hochnäsig mit dem Boß. Das hat sich nicht ausgezahlt. Der Boß gab ihr eine Spritze. Nach dreißig Sekunden schnarchte sie wie ein Elefant.«
    Raoul kam aus der Küche. Sein linkes Auge war geschwollen. Er löffelte etwas aus einer Dose in sich hinein.
    »Was ist denn das schon wieder?« fragte René verächtlich.
    »Bohnen.«
    »Warum denn immer Bohnen?«
    »Hm – schmecken fabelhaft.«
    Raoul setzte sich und löffelte die Bohnen fertig. Er stellte die Dose zur Seite, fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund und starrte Kirby eine Zeitlang unverwandt an. Dann unterhielt er sich mit René in einer Sprache, die Kirby nach kurzer Zeit als das Vulgärfranzösisch Nordafrikas entzifferte. Es war durchsetzt von spanischen, italienischen und arabischen Worten. Obwohl Kirby nicht alles verstand, war ihm doch klar, daß Raoul sich mit dem schlafenden Küken von nebenan amüsieren wollte.
    Zu Kirbys Entsetzen reagierte René nicht mit der angemessenen Entrüstung. Im Gegenteil, die Sache schien ihn zu langweilen. Er stellte eine beiläufige Frage, die Kirby nicht verstand, und Raoul erwiderte, daß das kein Mensch beweisen könne.
    Kirby spürte ein würgendes Gefühl in der Kehle. Für Wilma Farnham konnte jetzt alles zu Ende sein, und es stand nicht in seiner Macht, ihr zu helfen.
    René machte den Vorschlag, daß sie abwarten sollten, da sie vermutlich die ganze Nacht im Haus bleiben müßten. Seiner Meinung nach machte es mehr Spaß, wenn das Mädchen wach war. Außerdem konnte man sie als Gewinn beim Kartenspiel einsetzen.
    Raoul gähnte und zuckte mit den Achseln.
    Kirbys Augen hatten endlich zu tränen aufgehört. Seine Nase fühlte sich wie ein weicher Keks an.
    Die beiden Männer gingen zum Kaffeetisch hinüber. Während René mischte, starrte er zu Kirby hinüber.
    »Wie hast du uns erledigt?«
    »Ich hatte Hilfe.«
    »Dachte ich mir. Eine Art Gas, oder?«
    »So etwas Ähnliches.«
    »Der Boß hat sich schon gewundert. Sie wird das Zeug wahrscheinlich zu ihrem eigenen Gebrauch haben wollen.«
    »Gib«, knurrte Raoul.
    Die Karten klatschten in die bedrückende Stille. Kirby glaubte nicht, daß ihm die Männer die Uhr aus der rechten Hosentasche genommen hatten. Er machte einen krummen Rücken und fuhr mit dem gefesselten Ellbogen an der Hüfte entlang. Die Uhr war da. Er hörte das leise Klirren der Kette.
    »Daß du mir nicht auf dumme Gedanken kommst«, sagte René plötzlich.
    Raoul sagte etwas im Patois der afrikanischen Hafenstädte. Kirby verstand das Wesentliche. Laß doch den Bürohocker in Ruhe, Mensch, der hat die Hosen so voll, daß er uns keinen Kummer machen wird.
    Die Hilflosigkeit war die größte Gefahr. Sie machte die Gedanken starr und lähmte die Phantasie. Kirby sah sich schon auf der Glorianna, zusammen mit der rüden Besatzung und den unglücklichen Mädchen. Vielleicht erzählte Bonny Lee schon jetzt Charla von dem Geheimnis der goldenen Uhr. Vielleicht kam Charla in Kürze und probierte den Mechanismus aus. Und wenn sie erst einmal im Besitz der Uhr war, würden alle Mitwisser am Grunde des Golfes von Mexiko landen – mit Gewichten beschwert.
    Das Bewußtsein der Niederlage war wie eine Krankheit. Und er konnte nur mit seinem Stolz dagegen ankämpfen. Jetzt muß ich das werden, was Onkel Omar von mir erwartete, sagte er sich vor – oder ich kann gleich aufgeben.
    Er fragte sich, ob Bonny Lees kleiner Wagen immer noch draußen stand. Wahrscheinlich hatten sie ihn zurückgelassen. Er war zu auffällig. Für Charla stellte Bonny Lee

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