Flucht ins Ungewisse
ich eine Hand darauf legte. Die Wassermassen unter mir preschten mit einer irren Geschwindigkeit vorbei. Steine, fast schon Felsen versperrten dem Wasser den Weg, weshalb es aufschäumte und einen anderen Weg suchte, um unbeirrt fließen zu können. Schimmernde Punkte tanzten auf der Oberfläche und erzeugten irritierende Effekte.
Ein lauter Knall erfüllte die Luft und betäubte meine Ohren. Ich zuckte erschrocken zusammen und duckte mich unwillkürlich. Ich denke, dass ich auch aufschrie, doch der Schrei ging in dem Geräusch und dem Tosen des Wassers unter.
„Es hieß, sie will dich sehen“, erklärte der Mann, der tatsächlich zwei Goldzähne hatte, eine Waffe auf mich richtend. „Aber nicht, dass du noch gehen können musst.“
Ich starrte ihn nur an. Kein Muskel in mir bewegte sich. Erst nach zwei, drei bebenden Atemzügen merkte ich, wie grauenvoll mein Oberarm vor Schmerzen schrie, die sich über meinen Rücken ausbreiteten. Die Kugel hatte mich gestreift.
Ich hatte jedoch keine Angst mehr. Dieses Kapitel hatte ich schon längst hinter mir gelassen. Ich war panisch und kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Ich richtete mich wieder auf, presste eine Hand auf die blutende Wunde. Die warme Flüssigkeit lief meinen Arm entlang, tropfte von meinen Fingern zu Boden. Fast war ich davon überzeugt, den Tropfen aufschlagen zu hören. Aber das war Quatsch. Einbildung. Wahn!
„Komm her!“ Der Mann deutete mir mit der Pistole, aber ich rührte mich nicht vom Fleck. Ich hätte nicht einmal gekonnt, wenn ich gewollt hätte …
Mit der Hüfte stieß ich ans Geländer. Ich musste wirklich aufpassen, denn es war nicht hoch genug, dass es mich aufgehalten hätte, wenn ich mein Gleichgewicht verlor.
Er feuerte erneut einen Schuss ab, verfehlte meinen Fuß nur knapp.
„Jetzt mach endlich! Komm her! Der nächste Schuss sitzt und du wirst mir nie wieder davonlaufen.“
Ich spürte, dass ich kurz davor war, ohnmächtig zu werden. Das war einfach zu viel für einen Tag!
Und noch bevor ich es wirklich merkte, stand der Mann plötzlich riesig vor mir und nahm meinen Arm, drückte auf die Wunde. Ich schrie, was jedoch von seiner anderen Hand abgeschnitten wurde, als er sie mir auf den Mund presste. Die Waffe legte sich dabei kalt an meine Wange. Ich gab ein leises Wimmern von mir, war den Tränen nahe.
„Wenn du nicht gleich spurst, überlege ich mir, was ich mit dir machen werde, bevor ich dich zu Amanda bringe.“
Ich hatte wirklich nicht den geringsten Schimmer, was er eigentlich von mir wollte. Vor wenigen Stunden war doch alles noch so perfekt gewesen. Ich hatte einen neuen Freund in Cass gefunden, hatte beinah vergessen, warum ich hier so dringend wegwollte. Aber jetzt …
Gedankenlos, einfach nur in meiner Panik gefangen, biss ich ihn in die Hand. Mein Mund war wieder frei, doch mein Enthusiasmus wurde prompt zerstört, als mir hart ins Gesicht geschlagen wurde. Ich schmeckte Blut, spuckte.
„Du verdammtes Miststück!“
In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Gleichzeitig spürte ich, wie der Griff an meinem Arm lockerer wurde. Schnell riss ich an meinem Arm und sah die überraschte Miene des Mannes, als ich auf einmal frei war und rücklings über das Geländer glitt, bevor ich den steinharten Aufprall an der Wasseroberfläche wahrnahm.
Matthew Tempson:
„Wird sie so leben können?“
„Verdammt noch mal, WACH AUF!“ , wurde ich aus dem Schlaf gerissen.
Ich fuhr hoch. Syria zischte aufgebracht, als sie in meinen Schoß fiel. Sie hatte wie so oft auf meinem Bauch geschlafen. Der Raum war in das fahle Blau des Terrariums getaucht. Aber es war niemand zu sehen. Ganz leise hörte ich Nicks Schnarchen vom Zugabteil. Aber ich war sicher, dass mich gerade jemand angebrüllt hatte. Und zwar ziemlich laut.
„Wird auch Zeit“ , seufzte die Stimme in meinem Kopf und ich verstand, wer mich geweckt hatte.
„Bist du noch ganz dicht? Ich dachte immer, ich sterbe dank Amanda, aber wenn du das noch mal machst, bin ich mir da nicht mehr so sicher …“, murrte ich und hob Syria hoch, sodass sie über meinen Arm auf die Couchlehne kriechen konnte. „Was willst du?“
„Jetzt frag nicht lange rum, sondern komm endlich in die Gänge!“
Ich rieb mir übers Gesicht, warf dabei einen Blick auf die blinkende Digitalanzeige des DVD-Players. „Was ist denn los? Es ist gerade mal halb zwei morgens und ich …“
„Lora ist in Gefahr“ , brachte er es endlich auf den Punkt.
Ich war schneller auf den Beinen,
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