Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
Drakkahn Shynagoth. »Ich werde Eure Botschaft überbringen und selbst nach Faerie weiterreisen, falls ich diesen Maurer nicht zuerst finde. Ein ruhmreicher Tag naht für uns, Erhabener.«
Tor traute kaum seinen Augen, als er Salin grinsen sah. »Und ob es ein ruhmreicher Tag wird. Der Seth sei mit dir, Willformerfürst.«
»Der Seth sei mit Euch, Erhabener.«
Kaum hatte Shynagoth die Worte ausgesprochen, krümmte und verzerrte sich sein Körper. Gleich darauf ähnelte er einem riesigen, missgebildeten Vogel. Er spreizte breite, ledrige Schwingen, erhob sich in die Lüfte und stieg über die Berge auf, um die Befehle seines Meisters auszuführen. Tor schaute ihm nach und fragte sich, wie es sein würde, die Macht der Gestaltwandlung zu besitzen. Wenngleich angeblich alle Elben darüber verfügten, vermochten nur die wenigsten, sie brauchbar anzuwenden. Niemand, den Tor je gesehen hatte, konnte sich mit Shynagoths Beherrschung der Gabe messen. Drakkahn Shynagoth zählte nicht umsonst zu den höchsten Rängen der Dunkelelben.
»Gehen wir«, sagte der Hexer, dessen gelbliches Grinsen verblasste. »Wir können zwar nicht fliegen wie Shynagoth, trotzdem können wir rasch vorankommen, wenn wir uns beeilen. Mit etwas Glück haben wir diese Narren, lange bevor sie das verhasste Land der Elben erreichen. Der Talisman
wird
mir gehören!«
Unermüdlich stapfte Salin weiter und führte seinen großen Rappen über die Felsen. Tor, der gegen Erschöpfung nicht so gefeit war, wie es sein Meister zu sein schien, trottete hinterher. Ihm folgten die allzeit schweigsamen Geschwister Gwendolyn und Stiletta, die damit zufrieden wirkten, dem Hexer zu folgen und bedingungslos zu dienen wie das hirnlose Vieh, für das Tor sie hielt.
Der Krieger hasste sie. Und er hasste Salin. Am meisten aber hasste er diesen Maurer, den Einsiedler Michael und all ihre Gefährten. Es war ihre Schuld, dass sich Tor in dieser schier unerträglichen Lage befand. Er würde ihrer aller Tod erleben. Beim Seth, er würde ihre Köpfe bekommen, und wenn es das Letzte wäre, was er je tun würde.
D ER O GRYNWALD
»Sachte, Alek, sachte!«, rief Lorn, während er beobachtete, wie Alek sein Schwert in die Luft stieß. »Entspann dich, lass die Bewegungsabläufe fließen. Du versuchst es zu verkrampft.«
Alek stieß einen leisen Fluch aus und wischte sich Schweiß von der Stirn. Es war der dritte Abend seiner Ausbildung, und er musste seinem Lehrmeister erst noch eine erfreuliche Bemerkung entlocken.
Bisher hatte er sechs grundlegende Stöße, drei verschiedene Schwünge und sieben Verteidigungsabläufe gelernt. Außerdem hatte Lorn ihm vier ›Formen‹ beigebracht, bei denen einzelne Stöße, Schwünge und Paraden zu fließenden Abläufen zusammengefügt wurden. Diese Formen immer und immer wieder zu üben, erwies sich als eine der erschöpfendsten Aufgaben, denen Alek jemals nachgegangen war.
Und sein Verstand wurde ebenso gefordert wie sein Körper, denn sich an die Bewegungsabläufe jeder Form zu erinnern, bedurfte all seiner Aufmerksamkeit. Jeden Abend plumpste er nach dem zweistündigen Unterricht auf seine Decken und schlief wie ein Toter.
Manchmal sah Sarah ihm zu, wenn er übte, und verfolgte belustigt, wie er durch die Formen stolperte. An diesem Abend hatte sie nach der Hälfte des Unterrichts die Freude daran verloren und sich schlafen gelegt. Manchmal beobachtete ihn auch Kraig, meist jedoch schritt er den Rand des Lagers ab oder legte sich früh hin, um ausgeruht für seinen Wachdienst zu sein. Michael hatte sich angewöhnt, abends alleine und aufmerksam über dem Buch zu brüten, das Horren ihm gegeben hatte. Er billigte Aleks Ausbildung, zeigte jedoch keinen Drang, beim Unterricht zuzusehen.
Alek holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Er ging die Form in Gedanken durch, dann hob er das Schwert, um von vorne zu beginnen. Zuerst vollführte er einen kurzen Schwung, den er fließend in eine hohe Parade übergehen ließ. Daraus wurden zwei Stöße, einer hoch und kurz, der andere tief und weit. Auf zwei weitere Paraden, eine nach links, die zweite tief und nach rechts, folgte umgehend ein Ausfall. Er verrenkte den Körper, wich einem nicht vorhandenen Feind aus vollführte einen Schritt vorwärts zum Todesstoß. Wie von Lorn verlangt, verharrte er einige Atemzüge lang in der letzten Haltung, dann senkte er die Schwertspitze zu Boden. Sein Körper zitterte vor Erschöpfung, als er sich bequem hinstellte.
Alek wappnete sich für weitere
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