Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
Der Friedenswächter wirkte entschlossen, seinen früheren Anflug von Feigheit wieder gutzumachen. Die beiden verließen die Schänke und bahnten sich durch die Nacht den Weg zu Aleks Hütte. Die Dunkelheit rings um sie wirkte schwer und bedrückend, der trübe Schimmer des Mondes schien die Schatten nur zu vertiefen. Stille verhüllte die Ortschaft – nicht die friedliche Stille der meisten Nächte in Bartambuckel, sondern eine Totenstille, die sie mit Beklommenheit erfüllte. Weder Alek noch Kraig sprachen ein Wort, denn selbst die leisen Schritte ihrer Füße auf der Straße hörten sich in jener entsetzlichen Stille zu laut an. Kein Geräusch drang aus den Häusern zu beiden Seiten des Pfades, auch die Tiere auf den Feldern und im Wald schwiegen, ja sogar der Wind. Ein leichter Moder wehte in der Luft, ein Geruch, als brenne etwas. Eigenartig und vertraut zugleich, und obwohl er Alek an ein Holzfeuer erinnerte, bildete er sich ein, es wäre der Geruch blanker Angst. In jener unnatürlichen Finsternis und Geräuschlosigkeit stapften sie vor sich hin, bis sie wenige Schritte von Aleks kleiner Hütte stehen blieben. Oder deren Überresten.
»Bei Groks Blut«, murmelte Alek.
Die Tür war entzweigeschlagen worden; eine Hälfte schwang träge auf der einzigen verbliebenen Angel, die andere lehnte schief im Eingang. Der Stein und das Holz rings um die Tür waren zerschmettert, das Reetdach über dem Eingang verbrannt. Alek schob die schwingende Halbtür beiseite und rannte in sein Heim, gefolgt von dem hünenhaften Friedenswächter.
Im Inneren herrschte noch schlimmere Verheerung. Das einzige Zimmer der Hütte war regelrecht kurz und klein geschlagen worden. Der Tisch und die Stühle lagen in Trümmern über den Boden verstreut. Die Matratze seines Bettes war aufgeschlitzt worden, seine Truhe geleert; ihr Inhalt über den Raum verteilt. Alek betrachtete die blanke Zerstörung mit geweiteten Augen, unfähig zu glauben, was seinem Heim und seinen spärlichen Habseligkeiten widerfahren war.
»Salin«, flüsterte er. »Er muss nach dem Glücksbringer gesucht haben. Wenn er nur auf mich gewartet hätte …«
»Was ist dieses Ding, dass er unbedingt haben will?«, fragte Kraig, der mit großen Augen den Blick über die Trümmer wandern ließ.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was es ist.«
Auf einmal zerriss das Kreischen einer Frau die Nacht. Kraig reagierte als Erster und preschte zur Tür hinaus, doch Alek folgte ihm rasch. Sein Herz hämmerte vor Angst und Sorge. Der Schrei war aus dem Haus nebenan gedrungen, in dem Stan Kulnip, der Bäckermeister, und dessen Gemahlin Matilda wohnten. Alek versuchte, Kraig einzuholen, als er auf die Tür des Bäckers zurannte, aber der große Mann erwies sich als deutlich schneller als er. Er erreichte den Eingang zehn Schritte vor dem leicht pummeligen Alek. Als er die Tür aufstieß, brach jäh ein grelles, weißes Licht aus dem Haus und ließ Kraig auf die Knie sinken.
Alek drehte sich weg und bedeckte die Augen, als das Licht ihn erfasste. Einen Lidschlag lang verbannte es die Nacht, und Hitze spülte über ihn hinweg. Einige Augenblicke verharrte er mit dem Rücken zu der stechenden Hitze, bis sich schließlich rings um ihn wieder die kühle, dunkle Nacht festigte. Als er sich wieder zum Haus umdrehte, sah er, dass die Vorderseite nur noch aus Geröll bestand, das von der Explosion fächerartig versprengt worden war. Kraig kniete inmitten des Schutts, den Kopf nach vorn gebeugt, die Hände über dem Gesicht. Er zitterte am ganzen Leib. Langsam näherte sich Alek dem kräftigen Mann.
Mittlerweile herrschte im Haus Dunkelheit. Alek sah sich um, hielt nach der Quelle der Explosion Ausschau, doch die Nacht erfüllte wieder Stille. Er kniete sich neben den Friedenswächter: »Kraig?«
Der stämmige Mann schaute mit ausdruckslosen Augen auf. »Alek.« Seine Stimme bebte. »Ich kann nichts sehen. Das Licht. Ich kann nichts …« Dann vergrub er das Gesicht in den Händen und verstummte.
»Bleib hier. Ich muss nachsehen, ob es Stan gut geht.«
»Geh da nicht rein«, murmelte Kraig. »Das war Hexerei. Reines Böses.«
Zwar zögerte Alek, weigerte sich aber, sich von seiner Angst aufhalten zu lassen. Stan und Matilda waren wie Eltern für ihn, und er musste wissen, ob sie noch lebten. Wenn nicht … Er trat aus dem Zwielicht in Finsternis, ging langsam und wartete, bis sich seine Augen anpassten.
Als er sich tiefer in das verheerte Haus vorbewegte, stolperte er über
Weitere Kostenlose Bücher