Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
Tür. Kurz darauf öffnete sie sich, und Michael stand vor ihnen. Aus seiner Miene sprach gelinde Neugier. Er trug noch dieselbe Kluft wie zuvor – einen ausgefransten weißen Kittel und eine weite, braune Hose. Mit kaum überraschtem Tonfall sagte er: »Maurer. Und du hast Freunde mitgebracht. Kommt herein.« Er trat zurück und bedeutete ihnen, einzutreten.
Im Inneren war kaum genug Platz für sie alle. In einem kleinen Kamin in einer Ecke knisterte ein Feuer, in einem anderen Winkel stand ein Strohbett. In der Mitte des Raumes befand sich ein runder Tisch mit zwei Stühlen, auf dem Boden daneben eine bescheidene Truhe. Auf dem Tisch waren Brot, Käse und ein Krug Wasser angerichtet. Ansonsten erwies sich die Hütte als kahl.
»Ich hätte nicht gedacht, dich wiederzusehen, Alek Maurer«, sagte der Einsiedler. »Du schienst mir entschlossen, zu Salin zurückzukehren. Aber da du und deine Freunde schon hier seid, warum leistet ihr mir nicht Gesellschaft? Ich wollte mich gerade zum Abendessen setzen. Es ist zwar kein Festmahl, aber es sollte für alle reichen.«
»Nein, danke«, gab Alek zurück, wenngleich er das Essen bedauernd betrachtete. Er hatte seit Stunden nichts mehr zu sich genommen. »Ich habe Salin nicht gesehen. Als ich zur Schänke zurückkehrte, war er verschwunden. Anscheinend dachte er, ich hätte es mir anders überlegt und würde ihm den Talisman nicht verkaufen. Vermutlich glaubte er, ich hätte erkannt, worum es sich wirklich handelt. Jedenfalls beschloss er, ihn sich mit Gewalt zu holen, obwohl er nicht wusste, wo er mich finden könnte. Bisher hat er drei Menschen getötet, die mir sehr teuer waren. Du weißt etwas über all das. Was, bei Groks Blut, geht hier vor sich?«
Sarah, die mit leerem Blick ins Feuer gestarrt hatte, wandte sich Michael zu. Ihr Gesicht glich einer Grimasse der Furcht, der Wut und des Kummers: »Er hat meine Mutter umgebracht!«
Zuerst schien der Einsiedler entsetzt, dann traurig. Er senkte das Haupt, als trauere er. Als er wieder aufschaute, wirkten seine blassen Züge wieder ausdruckslos.
»Das tut mir leid«, sagte er teilnahmslos. »Ich bedauere eure Schwierigkeiten, aber es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Salin ist gerissen und mächtig. Ich bin nichts. Mein Rat an euch lautet, weit und schnell zu flüchten. Lauft weiter nach Norden durch den Wald. Falls euch der Eine gewogen ist, schafft ihr es vielleicht nach Bordonstett. Dort findet ihr unter Umständen Leute, die kühn und rein genug sind, euch zu helfen.«
»Bordonstett!«, rief Alek. »Das ist eine halbe Welt weit weg!«
»Nicht so weit, wie dein begrenztes Wissen es dir erscheinen lässt. Mit etwas Hast kann man in weniger als einer Woche dort sein.«
Kraig ergriff das Wort. »Jetzt hör mal zu, Einsiedler. Wir haben kein Essen, kein Wasser, und wir kennen den Weg nicht. Ich bin fast blind, und Maurer ist zu schwabbelig für eine lange Reise. Er sagt, du weißt etwas über all das. Ich schlage vor, du tust mehr, als uns einen nutzlosen Ratschlag zu erteilen.« Damit ballte er die Hände zu Fäusten und ragte bedrohlich über den hageren Einsiedler auf.
Michael schaute unbeeindruckt zu ihm auf. Dann setzte er sich an den Tisch und begann, ein Stück Käse zu essen. »Ich sagte schon, es gibt nichts, was ich für euch tun kann.«
»Aber du wolltest mir doch vorher noch helfen«, warf Alek ihm vor. »Du hast regelrecht darauf bestanden. Du sagtest, ich müsse den Talisman vor Salin verbergen, und du würdest mir dabei helfen.«
»Und du hast meine Hilfe abgelehnt.«
»Jetzt lehne ich sie nicht mehr ab.«
»Es war ein Fehler, mich einmischen zu wollen. Als ich in der Schänke sah, dass du den Talisman hattest, da dachte ich … aber nein. Einst glaubte ich an einen Zweck. Ich dachte, es gäbe ein Muster im Leben, eine Bedeutung, und ich glaubte, ich hätte einen Platz in der Ordnung der Dinge. Das war Torheit. Die Welt dreht sich auch ohne mein Eingreifen weiter. Flieht, solange ihr könnt. Vielleicht findet ihr andere, die williger sind, euch beizustehen … als ich.«
Unverhofft brüllte Sarah auf und warf den Tisch um. »Er hat meine Mutter getötet!«, kreischte sie.
Michael sah ihr in die Augen, und über seine Züge huschte erneut ein Anflug von Kummer. Er erhob sich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Du bist zu jung für solchen Gram. Das seid ihr alle. Allerdings besitze ich nicht die Macht, euch zu helfen. Ich bin bloß ein Mensch, der versucht, seine letzten Jahre in
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