Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
Michael weckte sie wortkarg und hüllte sich gänzlich in Schweigen, als sie mit forschen Schritten weiter nordwärts liefen, ohne noch einmal zurückzublicken.
Alek fühlte sich durch den zu spärlichen Schlaf nicht ausgeruht. Binnen einer Stunde bekam er Seitenstechen. Zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte er, nicht mehr körperliche Ertüchtigung betrieben und zugelassen zu haben, dass sich Speckrollen um seinen Bauch gebildet hatten. Er schwitzte und japste nach Luft, dennoch beschwerte er sich nicht über die Geschwindigkeit, die Michael vorlegte. Alek hatte nicht vor, die Gruppe zu behindern, zumal die Gefahr ihnen dicht auf den Fersen sein konnte. Tapfer mühte er sich mit bebender Brust und zittrigen Beinen weiter.
Die Sonne stieg hoch an den Himmel, als es auf die Mittagszeit zuging, und trotz der Dichte des Waldes drang genug Licht durch die Wipfel, um ihren Weg zu erhellen. Der Tag wurde heiß und Alek beobachtete, wie sich Sarah erschöpft Schweiß von der Stirn wischte. Ihr schwerer Mantel war viel zu warm, doch sie hatte nichts anderes zum Anziehen. Bei solchem Wetter hätte sie ein leichtes Sommergewand tragen sollen, kein Nachthemd unter einem Wintermantel. Zumindest ihre Sandalen passten zur Jahreszeit.
Im Verlauf des Tages hatte Kraig immer weniger Mühe, ihnen zu folgen. Einerseits konnte er im Licht ihre Schemen besser erkennen, andererseits behauptete er, dass sich sein Sehvermögen teilweise wieder eingestellt hatte. Alek begann zu hoffen, dass der Friedenswächter bald wieder einwandfrei sehen könne. Dadurch würde er sich erheblich sicherer fühlen. Der große Mann hatte den
Silberschild
jahrelang beschützt, und Alek wäre froh, diesen Schutz nun für sich und Sarah zu haben. Sollten sie auf Gefahr stoßen, wäre Kraig vielleicht der Einzige, der die Kraft und das Können besaß, um damit zurechtzukommen.
Zwei Stunden nach Mittag ließ Michael sie kurz anhalten. Sie setzten sich hin, kauten ein wenig Brot und tranken frisches Wasser. Michael zog die Beine an die Brust und aß schweigend. Alek beschloss, dass dies ein günstiger Zeitpunkt sei, um dem seltsamen Einsiedler ein paar Fragen zu stellen.
»Michael, du bist ziemlich still, seit wir deine Hütte letzte Nacht verlassen haben. Du schuldest uns noch Antworten. Ich will wissen, warum wir nach Bordonstett statt in eine näher gelegenere, sicherere Ortschaft gehen. Aber zuerst möchte ich, dass du uns etwas über Salin erzählst. Und weshalb du so viel über ihn zu wissen scheinst. Was will er mit dem Talisman?«
Michaels Züge wirkten so verbindlich wie immer. »Du hast eine Menge Fragen, mein Junge. Und viele der Antworten brauchst du nicht zu wissen. Noch nicht. Dennoch schulde ich euch wohl wenigstens etwas. Ich werde euch etwas über Salin Urdrokk erzählen, wenngleich das, was ich zu sagen habe, euch vielleicht Angst einflößen wird. Ihr habt nur einen winzigen Bruchteil seiner Macht bezeugt, und doch ist die seine nichts im Vergleich zu jener der Kreatur, der er dient.«
Michael setzte ab, schaute zum Himmel empor und sammelte seine Gedanken. Er brach sich ein weiteres Stück Brot von dem harten Laib ab und biss hinein. Dann griff er nach dem Wasserbeutel, den Kraig ihm reichte. Er trank ausgiebig und wischte sich das Kinn ab.
Während die anderen ihre Mahlzeit fortsetzten, begann Michael mit seiner Geschichte. »Vor Jahrhunderten wütete Krieg in allen Ländern nördlich von Nord-Riglak. Tyridan gab es damals noch nicht; dieses Gebiet war unbesiedelt und unbekannt. Aber südlich und westlich von hier prallten gewaltige Armeen auf blutdurchtränkten Schlachtfeldern aufeinander und stritten um das Schicksal der Welt. Die dunkle Armee von Mul Kytuer bestand aus Ogern, Kobolden und Menschen, die dem Bösen verfallen waren. Angeführt wurde sie von Groshem, dem Dunklen, einem barbarischen Krieger, dessen Macht als unübertroffen galt. Seine Streitkräfte fochten unter dem Banner von Vorik Seth, dem Schattenherrscher von Mul Kytuer, der Ausgeburt des Bösen auf dieser Welt. Auf der anderen Seite kämpften edle Männer und Frauen aus allen freien Ländern nördlich der Öde und westlich des Meeres, und mit ihnen das Magie beherrschende Elfenvolk, die Bewohner des sagenumwobenen Landes der Elfen. Sie wurden von einem jungen Krieger angeführt, den der Großkönig von Eglak kurz davor zum Obersten Klingenritter ernannt hatte, was dem höchsten Rang in der Armee des Königs entsprach. Dieser Mann war ein so vielversprechender
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