Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
weshalb er der alten Frau so viele Einzelheiten verriet. Vielleicht verspürte er das Bedürfnis, mit jemandem zu reden, der bereit war, mehr als einige wenige Worte zu sagen, oder vielleicht tat ihm die Greisin leid, die offenbar ganz allein auf der Welt war. Woran es auch liegen mochte, sie nickte, als er seine Ausführungen beendete.
»Ich bezweifle, dass sie dich begleiten tät’, aber vielleicht kannst du nützlich sein. Du kommst besser mit mir, junger Spielmann.« Damit setzte sie sich in Bewegung und entfernte sich von ihm.
Landyn starrte ihr fragend nach. Wollte sie damit andeuten, dass Ara noch lebte? Als sie sich umdrehte und sah, dass er ihr nicht folgte, fügte sie hinzu: »Worauf wartest du? Ich bin zu alt, um Zeit zu verschwenden. Nun komm, ich beiß’ nich’.«
Er folgte ihr zu einer kleinen Hütte, eingerichtet nur mit einem kleinen Tisch, Stühlen und einem niedrigen Holzbett. Die Greisin setzte sich auf einen Stuhl, wobei sie vor Mühe ächzte, und bedeutete ihm, auf dem anderen Platz zu nehmen. Dann schob sie ihm ein Stück Pergament zu, das auf dem Tisch lag.
»Sie hat mir gesagt, ich soll das jemandem geben, dem ich vertrauen kann. Also, ich schätze, ich vertraue so gut wie jedem im Dorf, außer vielleicht dem alten, knopfäugigen Heiler Hamlick. Nur wär’ aus der Ortschaft keiner bereit, sich in ein tollkühnes Abenteuer zu stürzen. Aber ein Spielmann aus der großen Stadt vielleicht schon. Soweit ich weiß, lebt deinesgleichen ja für Abenteuer.«
Landyn las es stirnrunzelnd. Der Text war hastig und mit unruhiger Hand gekritzelt worden.
Hier sind dunkle Mächte am Werk. Mein Großvater hat mir Geschichten über solche Dinge erzählt, als ich noch ein Mädchen war – Geschichten, von denen ich glaubte, er hätte sie sich ausgedacht. Er war ein weit gereister Mann, und ich hätte sein Wissen nicht infrage stellen sollen. Er erzählte mir von den Kriegen, die im Süden und im Westen stets gefochten wurden, und vom Volk der Elben sowie dessen Magie. Aber er sprach auch von dunkler Zauberei und den Hexern, die sie benutzen, von Dienern eines finsteren Meisters, der weit, weit im Westen lebt. Insbesondere von einem erzählte er mir immer wieder, von einer Schreckgestalt, die kleine Mädchen fraß, die ihren Eltern nicht gehorchten. Der Name war Salin. Hätte ich mich nur daran erinnert, bevor ich Alek losziehen ließ, um ihm das Amulett zu verkaufen! Der Name hätte mir bekannt vorkommen müssen, als er ihn erwähnte, aber ich dachte mir nichts dabei. Erst bei dem Feuer und den Explosionen fiel es mir wieder ein. Alek ist verschwunden, und meine Tochter Sarah mit ihm. Ich kann nur hoffen, dass sie jenem abscheulichen Mörder entkommen sind. Ich muss weg, denn Salin könnte zurückkehren, wenn er sie nicht findet. Er könnte nach mir suchen, denn er glaubt, ich wüsste etwas über das Amulett, das er will. Um die eigene Sicherheit geht es mir nicht, aber wenn ich sterbe, kann ich meiner Tochter nicht helfen.
Ich übergebe diesen Brief an Cindra Verdan, einer Frau, die ich gut genug kenne, um ihr mein Geheimnis anzuvertrauen. Ich möchte, dass gemeinhin angenommen wird, ich sei tot. Das gereicht mir nur zum Vorteil. Ich werde eine Weile in Flussfurt sein und dort auf jemanden warten, der mir helfen kann, meine Tochter und den jungen Alek zu finden. Ich muss in Erfahrung bringen, ob es ihnen gut geht. Und ich muss tun, was ich kann, um sie zu beschützen. Wenn du mir helfen kannst, dann komm nach Flussfurt. Ich werde mich als Renda Collins ausgeben. Such mich in der
Herberge zum Grauen Ross
auf. Bitte. Hilf mir.
Landyn sah die alte Frau mit hochgezogener Augenbraue an. »Cindra, richtig? Ich muss schon sagen, das ist äußerst spannend. Zweifellos der Stoff für eine epische Geschichte. Ein magisches Amulett, zwei junge Leute auf der Flucht, um zu verhindern, dass es in die Hände eines üblen Schurken gerät, eine besorgte Mutter, die sich versteckt und einen Plan schmiedet, um ihr Kind zu retten. Aber warum vertraust du dich mir damit an? Du weißt doch gar nichts über mich.«
Cindra grunzte. »Weil ich alt bin, du Narr. Ich könnte heute beim Abendessen in meine Suppe kippen, und niemand würde die Nachricht je erhalten. Die Leut’ hier im Ort sind brave Menschen, aber sie wissen herzlich wenig von der Welt außerhalb von Bartambuckel. Gegen schwarze Magie können sie gar nichts ausrichten. Du vielleicht auch nicht, aber ich wette, du weißt das eine odere andere über die Welt.
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