Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
Bei einem Spitzbuben wie dir muss das so sein.«
»Spitzbube?«, empörte sich Landyn. »Dazu muss ich …«
»Ich kenne deinesgleichen«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Hinter euren hübschen Gesichtern und betörenden Worten stibitzt ihr genauso gern Geldbörsen, wie ihr Lieder singt.«
Landyn fühlte sich gekränkt, entgegnete jedoch nichts. Zwar sang er an sich lieber Lieder, doch er musste gestehen, dass ihn schon gelegentlich die Versuchung einer fetten Geldbörse übermannt hatte. Er fragte sich, wie es kam, dass diese Greisin eine so gute Menschenkennerin war. »Wenn ich ein solcher Spitzbube bin, hast du erst recht keinen Grund, mir zu vertrauen.«
»Es besteht doch ‘n großer Unterschied zwischen ‘nem Spielmann, der ab und an in eine Tasche fasst, und einem rasenden, mordlüsternen Hexer. Ich möchte wetten, du würdest keine Mühe scheuen, um einer Dame in Schwierigkeiten zu helfen. Vielleicht kennst du sogar noch einige andere, die dazu bereit wären.«
Nachdenklich strich sich Landyn über den Bart. »Aber es muss doch noch jemand anderen geben. Ihren Gemahl zum Beispiel …«
Die alte Cindra schüttelte den Kopf. »Nein, Spielmann. Matthäus ist seit fast sieben Jahren tot. Es gibt sonst niemanden.«
Landyn zog eine Augenbraue hoch. »Eine Witwe also? Du meine Güte, das wird ja immer spannender.«
Der Spielmann war an sich niemand, der sich bereitwillig in Gefahr begab. Aber vielleicht würde er Ara dennoch aufsuchen. Wenn er ihre Geschichte aufzeichnete und in ein Lied verwandelte, würde er vielleicht als einer der großen Barden in die Geschichte eingehen. Kurz lächelte er, als er sich seinen Namen in den Geschichtsbüchern neben jenem von Ottis Brachnitter vorstellte. Dies könnte seine letzte Gelegenheit für wahre Größe sein.
»Weißt du, Cindra Verdan, vielleicht reise ich doch nach Flussfurt. Danke, dass du Vertrauen in mich setzt.«
»Vertrauen? Pah, ich bin zu alt für Vertrauen. Ich tue Dinge aus Notwendigkeit. Und jetzt raus hier; ich bin älter als Grok und brauche meine Ruhe.«
Mit einer äußerst förmlichen Verneigung verließ Landyn die Hütte und kehrte zum
Silberschild
zurück. Er mietete ein Zimmer für die Nacht und teilte Derik mit, er würde frühmorgens aufbrechen und bräuchte Reiseverpflegung. Den Rest des Tages ruhte er sich aus und ging in Gedanken bereits Reime durch.
Es war lange her, dass er zuletzt etwas geschrieben hatte, dennoch dauerte es nicht lange, bis sich die Worte einstellten. Bislang kannte er nur den Beginn der Geschichte, aber das genügte für den Anfang. Ihm war nur am Rande bewusst, dass er sich bereits ausmalte, die Hauptgestalt der Geschichte zu werden.
Wenn er sie aus erster Hand erfassen wollte, musste er dabei sein und könnte vielleicht in ihren Ausgang eingreifen. Außerdem war Ara eine überaus gut aussehende Frau. Je mehr er an sie dachte, desto mehr erinnerte er sich vor allem an ihre Schönheit.
Schön genug, um Jessina zu ersetzen? Rasch verdrängte er den Gedanken. Zum einen kannte er diese Ara nicht einmal, zum anderen könnte niemand Jessina d’Evanwing ersetzen. Sie war eine echte Dame, aufgewachsen in einem Haushalt niedrigen Adels in Freiboll. Ihrem Stil und ihrer Anmut konnte niemand gleichkommen. Sie konnte singen und tanzen wie niemand sonst, und sie besaß Fähigkeiten auf anderen Gebieten, die Landyn allein beim Gedanken daran den Schweiß auf die Stirn trieben.
Genug! Im Augenblick musste er sich mit anderen Dingen befassen: Ara helfen und mehr über diesen Salin und das Amulett erfahren, hinter dem dieser her war. Es würde eine großartige Geschichte, sobald sie ausgestanden wäre. Sie zu erzählen, würde Landyn berühmt machen – sofern er sie überlebte.
Aber natürlich würde er überleben. Wahrscheinlich war alles nicht halb so gefährlich, wie die Bauern es darstellten. Sie waren schlichte Leute, die jede kleine Vorführung von Macht in Ehrfurcht versetzen würde. Landyn hingegen war ein begabter, gebildeter Mann, und er hielt es für durchaus möglich, dass er zum Helden seiner eigenen Geschichte geraten könnte. Gewiss, ein alberner Gedanke, trotzdem verlockend. Insbesondere, da Ara ihm zweifellos dankbar wäre.
Bei Einbruch der Nacht legte er sein Schreibwerkzeug beiseite, begab sich ins Bett und versuchte, die Aufregung und Unsicherheit aus seinem Geist zu verbannen. Am nächsten Tag würde er nach Flussfurt aufbrechen. Es würde ein langer Tag werden.
D ER W ÄCHTER
Alek wand sich in dem
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