Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
lächelte zuckersüß. Einen Lidschlag lang verspürte er das aufkeimende Verlangen, sie zu küssen, dann jedoch schalt er sich stattdessen stumm.
Narr! Sie sucht nur Trost bei mir. Ich wäre ein Scheusal, würde ich sie ausnutzen.
Er rang sich ein Lächeln ab, dann sank er in unbehaglichen Schlaf.
Allzu bald, kaum dass die Sonne vollständig aufgegangen war, marschierten sie weiter. Die Nacht war segensreich ereignislos verlaufen, aber viel zu kurz gewesen, vor allem für Alek, der in den letzten dunklen Stunden vor dem Morgengrauen Wachdienst gehabt hatte. Sein Blick zuckte dabei unablässig durch die Schatten und suchte nach Anzeichen auf Wölfe, Kobolde oder Tor. Oder auch Salin. Aber es gab keinerlei Schwierigkeiten, und bei Sonnenaufgang atmete Alek erleichtert auf.
Vor Mittag gelangten sie zum Wyndsweg. Plötzlich endete der Wald, und vor ihnen erstreckte sich eine breite, ebene Straße. Der Wyndsweg bildete den Hauptverkehrsweg Tyridans und verlief durch die meisten größeren Städte sowie durch etliche der kleineren Ortschaften. Er verlief mehrere Meilen westlich an Bartambuckel vorbei, und Alek war schon einmal auf ihm gewandert, wenngleich nicht annähernd so weit im Norden. Nach etwa einer Stunde erklommen sie einen Hügel, dann gerieten die Türme von Bordonstett in Sicht. Alek kippte beinah um. Seine Augen weiteten sich und konnten dennoch kaum fassen, welcher Anblick sich ihnen bot. Sein Mund klappte auf, aber er fand keine Worte.
Kraig, der ähnlich erstaunt wirkte, fasste seine Gefühle kurz und bündig zusammen: »Bei Grok, ist das verflucht groß!«
»Willkommen in Bordonstett«, sagte Michael und gestattete sich ein Lächeln.
Die Stadt breitete sich vor ihnen aus wie eine riesige Insel inmitten eines Meeres von Bäumen. Gepflasterte Straßen verliefen zwischen Gebäuden so hoch, wie Alek es noch nie gesehen hatte. Jedes einzelne Bauwerk war größer als der
Silberschild
, das größte Gebäude in Bartambuckel. Und sie standen so dicht beisammen!
Alek fragte sich, wie man so eng zwischen Häusern eingepfercht noch atmen konnte. Und es gab hohe Wachtürme, einen an jeder Ecke der Mauer rings um die Stadt. Dieser Ort war wie eine Festung errichtet worden. In der Mitte der Stadt erblickte Alek ein riesiges Bauwerk aus poliertem Stein, ebenfalls von Wachtürmen umgeben, auf deren Spitzen Banner wehten. Ein Schloss.
Michael seufzte, als er sah, wie die drei Dörfler ehrfürchtig auf die Stadt starrten. »Kommt. Ich weiß, es ist ein atemberaubender Anblick, wenn man nicht an große Städte gewöhnt ist, aber wir müssen uns beeilen. Wir befinden uns mittlerweile ungeschützt auf der Straße. Jeder in diesen Türmen könnte uns bereits seit Stunden beobachten. Außerdem ist das nur die drittgrößte Stadt in Tyridan. Wäre dies Valaria, ihr wärt bestimmt in Ohnmacht gefallen, und ich müsste euch in die Stadt schleifen.«
Sarah erlangte als Erste die Fassung wieder. Sie bedachte den Einsiedler mit einem Seitenblick und lächelte schief. »War das ein Scherz? Mann, ich glaube, unser todernster Einsiedler hat gerade einen Witz gerissen!«
Sie lachten, und sogar Michaels Lächeln wurde trotz seiner Besorgnis breiter. Bald marschierten sie forschen Schrittes den Hügel hinab. Alek, Kraig und Sarah konnten es kaum erwarten, ihre ersten Erfahrungen in einer richtigen Stadt zu sammeln. Als sie den Fuß des Hügels erreichten, verschwanden die Gebäude und Straßen hinter einer mächtigen Steinmauer, und die beiden nächsten Wachtürme schienen höher und höher zu wachsen. In die Mauer war ein großes Eisentor eingelassen, darüber befand sich ein kleines Wachhaus. Das Tor stand offen, doch zu beiden Seiten hielt eine Gruppe gepanzerter Gardisten Wache.
»Benehmt euch so, als gäbe es für die Gardisten keinen Grund, argwöhnisch zu sein, dann werden sie es auch nicht«, riet Michael. »Falls sie Fragen stellen, antworte ich.«
»Was ist damit?«, wollte Kraig wissen und deutete auf die Axt, die er über die Schulter geschlungen trug. »Werden sie sich erkundigen, warum ich bewaffnet in die Stadt will? Und was ist mit deinem Schwert?«
Michael, der Tors Klinge behalten hatte und sie am Gürtel trug, erwiderte: »Es ist nicht ungewöhnlich, dass Reisende bewaffnet sind. Schließlich muss man sich unterwegs vor Räubern schützen.«
Sarah lachte. »Oder vor Kobolden im Wald. Aber was ist mit meiner Aufmachung? Werden sie sich nicht fragen, warum ein Mädchen eine Reise nur in Nachtgewändern und
Weitere Kostenlose Bücher