Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
wie zuvor Sarahs Niedergeschlagenheit. Er beschloss, zumindest zu versuchen, Michaels Mauer des Schweigens einzureißen. Vielleicht könnte er herausfinden, was mit dem Einsiedler nicht stimmte, und ihm unter Umständen sogar irgendwie helfen.
Er stand auf und watete durch das Gras zu Michaels Decke. Der Einsiedler saß mit untergeschlagenen Beinen da. Vor ihm lag ein geschlossenes Buch. Seine Augen starrten auf den dicken Wälzer, während seine Finger die Ränder des Einbands nachfuhren. Er bemerkte Alek erst, als dieser sich laut räusperte. Darob schaute er auf, die Augen von Schmerz erfüllt, und sagte nichts.
Alek setzte sich ihm gegenüber hin. »Ist dies das Buch, das Horren dir gegeben hat?«
Michael nickte und senkte den Blick auf den Einband.
»Worum geht es darin?«, bohrte Alek nach.
Der Einsiedler seufzte. Ohne aufzuschauen, antwortete er: »Um eine längst tote Vergangenheit, die man am besten vergessen sollte. Und um die Gesetze.«
»Die Gesetze?«
Michael begegnete seinem Blick. »Die Sieben Gesetze. Ich habe schon davon gesprochen.«
Nun, da er Michael zum Reden gebracht hatte, wollte Alek nicht zulassen, dass die Unterhaltung an Schwung verlor. Außerdem wollte er aufrichtig hören, was der Einsiedler zu sagen hatte. »Die Sieben Gesetze. Sie haben etwas mit Magie zu tun, richtig?«
Michael nickte. »Mit Willformen, ja. Die Sieben Gesetze legen die Grundsätze dafür fest, die Wirklichkeit nach den eigenen Wünschen zu formen. Sie stehen im Mittelpunkt der frühen Ausbildung jedes Willformers. Ohne die Gesetze vollumfänglich zu begreifen, ohne an sie zu glauben, könnte es das, was du als Magie bezeichnest, gar nicht geben.«
Alek nickte. »Und das steht alles in deinem Buch, ja?«
Michael zuckte mit den Schultern. »Für mich spielt es keine Rolle. Ich kenne die Sieben Gesetze in- und auswendig, dennoch kann ich nicht willformen. Sie zu kennen, reicht nicht. Man muss zudem einen bedingungslosen Glauben an sie und an sich selbst besitzen. Mir mangelt es an beidem.«
Michael setzte dazu an, sich abzuwenden, ein sicheres Zeichen dafür, dass er die Unterhaltung beenden wollte. Alek jedoch ergriff das Wort, bevor sich der Einsiedler wegdrehen konnte.
»Was steht sonst noch in dem Buch? Du hast gesagt, etwas über die Vergangenheit.«
Mit einem langsamen Nicken erwiderte Michael: »Es ist ein geschichtlicher Text. Er berichtet von den großen Willformern des Altertums, sowohl elbischen als auch menschlichen, und von der Macht der Drei, deren Glanz alle anderen Willformer davor und danach überstrahlte, abgesehen von dem Einen, von dem sie ihre Kraft herleiteten. Außerdem erzählt er von den vielen, die sich an die Sieben Gesetze hielten; die meisten davon gehören einer ruhmreichen, aber toten Vergangenheit an. Und er erwähnt die Hexer und Hexen, verderbte Männer und Frauen, die ihre Macht benutzen, um die Welt in eine böse Form zu zwängen. Hexer wie Salin Urdrokk.«
»Salin. Es läuft immer wieder auf ihn hinaus. Er ist wahrlich ein Meister des Willformens, nicht wahr?«
»Nein! Nenn es Hexerei, wenn du seiner dunklen Kunst eine Bezeichnung geben musst. Diejenigen, die der Hexerei frönen, halten sich nur an sechs der Sieben Gesetze. Das erste Gesetz, das sie verschmähen, ist das wichtigste von allen: ›Alle Dinge, ob lebendig oder nicht, und alle Kraft sind Teil des Einen. Der Eine ist rein und gut, weshalb nichts, was mit seiner Macht getan wird, bösen Zwecken dienen darf.‹ Da Hexerei verderbt ist, verstößt sie gegen das erste Gesetz und ist somit kein wahres Willformen. Hexerei ist zerstörerisch, Willformen schöpferisch. Hexerei ist angriffslustig, Willformen verteidigend. Beides wirkt auf das Geflecht der Welt ein, Hexerei jedoch mit Zwang, während Willformen einer sanften Überredung gleicht. Es heißt, manche, denen es misslingt, das Gefüge des Willformens zu begreifen, wenden sich enttäuscht der Hexerei zu: Sie ist einfacher und scheinbar mächtiger. Das ist verlockend, aber falsch. Der wahre Weg führt immer über die sieben Gesetze und über den Einen.«
Verdutzt lehnte sich Alek zurück. Michael hatte seine Trübsal vorübergehend vergessen und sich einer verborgenen Leidenschaft hingegeben. Seine Augen leuchteten rot, als er von Hexerei sprach, und seine Stimme füllte sich mit Verachtung. Es war eine Seite an ihm, die Alek nicht gekannt hatte, und sie ängstigte ihn, doch zumindest bewies sie, dass ihn nicht alles völlig kalt ließ. Wenn es Alek
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