Fluchtpunkt Aqualung
viele?«, wollte Plutejo wissen.
»Ein paar tausend.« Es waren Millionen, doch das behielt Yaku lieber für sich.
»Und dann finde ich noch ein paar Beibootreflexe in den Aufzeichnungen, mindestens zwei Bodenstationen und einen Turm, der mich an ein Bohrterminal erinnert.« Beiläufig registrierte Yaku das aufgeregte Krächzen seines Raben draußen über dem Blütenfeld. »Unsere glorreiche Republik scheint hier nach Bodenschätzen zu suchen. Eigentlich sollten wir froh darüber …«
»Da«, flüsterte Plutejo. »Schaut nur.« Sein ausgestreckter Arm deutete an seiner Schwester vorbei nach draußen in das Staudengestrüpp. Zwischen den mächtigen Blütenstielen stand eine schlanke, fast zwei Meter große Gestalt: Pelzig und sandfarben die Schultern, der Schädel, die Außenseiten der Arme und Beine, nackt und rötlich der Bauch und die Innenseiten der Glieder; die Augen mandelförmig und gelb, das Gesicht rund, die Nase schwarz und klein und von nach beiden Seiten wachsenden drahtigen Haaren bekränzt wie von Strahlen. Die pelzige Brust wölbte sich tonnenartig, die schmale Hüfte trug einen dunklen Gurt voller Werkzeuge oder Waffen. Die Muskeln der langen Oberschenkel ähnelten einem Geflecht aus Stahlseilsträngen. Rote, blaue und gelbe Federn bedeckten den Hinterkopf und die Schultern.
Einen Atemzug lang beäugte die fremde Kreatur Venus und die Männer hinter ihr, dann ein Satz, ein Rascheln, ein Schwanken der Stauden – und sie war verschwunden. Moses' Gekrächze entfernte sich mit ihren Fluchtgeräuschen.
»Hey, warte …!« Yaku zog Venus aus dem Lukenrahmen und sprang ins Freie. »Warte doch!« Keine Chance – der Fremde war längst im Wald verschwunden.
»Was war das?« flüsterte Venus.
»Was schon?« Yaku stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ein Kalosar natürlich. Einer von der primitivsten Sorte übrigens.«
»Er erinnerte mich …« Plutejo kratzte sich in seinen fettigen Haaren. »Er hat mich an ein Tier erinnert, von dem mein Vater erzählt hat.«
»Klar doch.« Yaku grinste. »Hätte mich auch enttäuscht, wenn dir zu dieser Begegnung keine Lektion aus deiner Privatausbildung eingefallen wäre, mein Sohn. Schätze, dein Vater hat dir mal von Katzen erzählt, die gibt es nämlich auf fast jeder terranischen Kolonie.«
Moses kam zurück, landete knapp über Yaku auf einem Blattstengel und krähte ihm die Ohren voll, als wollte er ihm die Begegnung mit dem Kalosar und dessen Flucht noch einmal aus der Vogelperspektive schildern. »Ist ja gut, Moses, halt wieder den Schnabel. Scheint noch mehr von den Herrschaften in der Gegend zu geben, verstehe, und jetzt ist gut.«
Der Rabe breitete die Schwingen zum nächsten Rundflug aus.
Yaku wandte sich nach der Luke um, wo beide Geschwister kauerten.
»Was ich eigentlich sagen wollte – sie haben hier weder Funk noch Zeitung noch Visuquantenfelder oder so etwas. Das werdet ihr als ehemalige Yetis sicher verstehen. Dafür haben sie Typen wie diesen da eben – nackt bis auf ein paar Federn, sogenannte Waldläufer …«
»Was beim dreckigen Eis von Genna ist ein Yeti?« unterbrach Plutejo. Endlich kletterte er aus der Luke in das Gras zwischen den Stauden.
»Vergiß es, mein Sohn.« Yaku machte Anstalten, zurück in den Sparklancer zu steigen. »Ich mach's kurz: Wir sollten schleunigst unsere Sachen packen und das Beiboot tarnen. In einer Stunde oder zwei weiß nämlich die ganze Waldregion dieser Gegend, daß wir auf diesem schönen Planeten gelandet sind …«
3.
Eben noch ein freier Mann gewesen, jetzt Gefangener der Geheimen Galaktischen Sicherheitsgarde , wie dieser Krüppel es formuliert hatte. Noch stand er vor ihm, wedelte mit dem schwarzen Metallgestänge, das statt eines Arm und einer Hand aus seiner rechten Schulter wuchs. Die Prothese sah gefährlich nach einer Art Spezialwaffe aus. Die linke Prothese kam Bergen nicht weniger bedrohlich vor. Der schwarze Umhang des Krüppels verhüllte nur unvollständig den kegelförmigen Ständer, auf dem er schwebte. Gestern hatte er sich noch Sir Walker Palladei genannt.
»Setzen Sie sich, Bergen, machen Sie schon!« Der Cyborg rammte ihm das metallene Mittelfingerscharnier gegen das Brustbein. Wie ein großer Helm rahmte sein blauschwarzes, pomadiges Haar sein schneeweiß geschminktes Gesicht ein. Keine Spur einer Gefühlsregung zeigte sich auf diesem weißen Antlitz – kein Triumph, kein Spott, kein Zorn. Auf Augenlidern und Lippen trug der Krüppel heute Schwarz. Sein großer
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