Fluchtpunkt Atlantis
Myxin!«
»Ja!« Seine Stimme gewann an Lautstärke. »Ich hätte mich nicht eingemischt und dir Bescheid gegeben, wenn ich mit den Menschen einverstanden gewesen wäre. Aber das bin ich nicht. Diejenigen, die den Fluchtpunkt Atlantis ausnutzen, sind alles andere als normal. Es sind Menschen, aber es sind zugleich auch Verbrecher, Mörder, Totschläger und Kinderschänder. Verstehst du nun, John, weshalb ich so besorgt bin…?«
Pause. Nachdenken. Die Dinge erst einmal verarbeiten. Ja, ich wusste plötzlich, was Myxin damit gemeint hatte, und jetzt konnte ich seine Sorge auch verstehen. Es ging also um Personen, die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellten und nun in dieser längst versunkenen Welt einen idealen Fluchtpunkt besaßen, von dem sie niemand mehr zurückholen konnte. Teuflisch und genial zugleich.
Myxin meldete sich zunächst nicht mehr. So konnte ich mich weiterhin meinen eigenen Gedanken hingeben. »Dann gibt es also jemanden, der diese Verbrecher in den Schutz der Insel holt.«
»Ja, und ich weiß nicht, wer dahintersteckt. Aber ich möchte es herausfinden, auch mit deiner Hilfe, John, denn hier spielt meine Zeit und auch deine Zeit eine Rolle. Wir stehen gewissermaßen vor einem Schnittpunkt.«
Ich deutete auf die Wand. »Sie ist der Beschleuniger.«
»Genau.«
»Und es sind auch schon Verbrecher aus meiner Zeit hierher geholt worden?«
»Leider.«
Ich schüttelte den Kopf, denn ich kam mit den dürftigen Erklärungen nicht zurecht. »Es gibt eigentlich keinen Punkt, an dem ich ansetzen kann. Es ist zuwenig. Ich stehe hier, habe einiges gehört, muss es glauben, doch es gibt keine Beweise. Stell dir vor, ich kehre wieder in meine Zeit zurück. Kannst du mir sagen, wo ich anfangen soll zu recherchieren? Muss ich herumlaufen und raten, wer möglicherweise in diese Welt hineingeholt werden könnte?«
»Nein, das nicht.«
»Was dann?«
Wieder deutete Myxin auf die Wand. »Es kann sein, dass wir Glück haben, John. Wenn nicht in dieser Nacht, dann in der nächsten und übernächsten.«
Diesmal hielt ich mein Lachen nicht zurück. »Ich tue dir ja gern einen Gefallen, Myxin, aber ich habe nebenbei noch einen Job und kann mir die Nächte nicht hier um die Ohren schlagen.«
»Das hier gehört dazu.«
»Streite ich nicht ab. Aber ohne Beweise und ohne Ansatzpunkte kann ich nicht eingreifen.«
»Wir werden den Beweis bekommen.«
»Fragt sich nur wann.«
»Noch in dieser Nacht!«
Myxin hatte die Antwort so überzeugend ausgesprochen, dass ich ihn verwundert anschaute. »Ha, hast du dich da nicht geirrt, mein Lieber?«
»Nein, denn ich spüre es.«
Dagegen gab es keinen Einwand. Myxin besaß eben die besonderen Telekräfte, aber auch für ihn existierten Grenzen. Nur hoffte ich nicht, dass sie gerade jetzt aufgebaut worden waren.
»Wenn es passiert, John«, sagte er leise, »dann werden wir es hier erleben. Nur hier.«
»Gut, ich bin gespannt.«
Der kleine Magier verließ seinen Platz neben mir. Er ging geradewegs auf die Felswand zu. Als ich ihm nachschaute, wurde ich daran erinnert, dass er sich in dieser Haltung auch in das Zentrum zwischen den vier Steinen bewegte, um von dort aus seine magischen Reisen anzutreten.
Er, Kara und auch der Eiserne Engel konnten ihre Heimat eben nicht vergessen. Immer wieder tauchten sie durch Hilfe der magischen Zeitreise wieder ein in die Äonen, in denen Atlantis existiert hatte. Auf diesem mächtigen Kontinent hatte es schon damals eine sehr hoch entwickelte Kultur gegeben, die nicht nur durch Menschen entstanden war. Wesen anderer Welten hatten ebenfalls ihre Spuren hinterlassen.
Aber nicht nur sie, auch Riesen und Engel hatten Zeichen gesetzt, die sich bis in die Gegenwart gehalten hatten. Das wusste ich genau, denn oft genug war ich damit konfrontiert worden. Zudem existierte auch eine Verbindung zwischen Atlantis und Avalon.
Ich erlebte auch immer wieder, dass es Verbindungen zwischen dem versunkenen Kontinent und meiner Zeit gab. Ebenso wie hier. Und wenn diese Verbindungen meine Freunde oder mich betrafen, dann sorgten Myxin, Kara oder der Eiserne Engel dafür, dass auch wir in diese Abenteuer integriert wurden.
So wie jetzt. Myxin hatte mir diese heilige Stätte gezeigt. Ich war davon überzeugt, mich in Atlantis zu befinden, obwohl der kleine Magier sich mit konkreten Angaben zurückgehalten hatte. Das Orakel war zugleich Schnittpunkt der Zeiten, wobei der Begriff Fluchtpunkt Atlantis gefallen war.
Auch darüber dachte ich nach.
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