Fluchtpunkt Mosel
plötzlich eine Zentnerlast darauf.
Ein langes »Ooh« entwich Grabbes Kehle. Die Tüte gab ein helles Geräusch von sich, als sie auf der Kante des Kamins aufschlug und zerplatzte. Grabbe geriet aus dem Gleichgewicht. Sein rechter Schuh rutschte von der Leiterspitze, gleichzeitig ergoss sich eine Flut von Münzen und anderen Gegenständen aus der Tüte, purzelte über das Dach, fiel in die Dachrinne, sprang darüber hinweg, klirrte über die Leitersprossen und landete auf den Schieferplatten und dem Rasen.
Grabbes Knie stieß hart gegen den Kamin. Er ließ die leere Tüte los und bekam mit der rechten Hand die Ziegel am Kaminrand zu fassen, was den Aufprall seiner Schulter an den Ziegel ein wenig abfederte. Sein linker Fuß blieb auf der Holmspitze.
Niemand achtete auf Quintus, der in aller Ruhe ein tiefes Loch in den Rasen gegraben hatte.
*
»Nochmals danke, dass du die Leiter nicht losgelassen hast, als das ganze Zeug auf dich runtergeprasselt ist«, sagte Grabbe, als Walde den Wagen stoppte. »Geht es deinem Fuß wieder besser?«
Walde hatte den total durchnässten Grabbe nach Hause gefahren. Er musste nicht an den Schmerz erinnert werden, den sein angeschlagener Zeh ausstrahlte, der ausgerechnet von einem dicken Klumpen getroffen worden war.
Er setzte gleich im Anschluss Gabi an ihrem Wagen ab, bevor er nach Hause fuhr, um seine nasse Kleidung zu wechseln. Walde entschloss sich, Quintus, an dessen Pfoten noch Gartenerde klebte, kurz im Wagen zu lassen.
Er war schon ein paar Meter vom Auto entfernt, las er wieder zurückging, um die schwere Alditüte zu holen, die den kompletten Fund enthielt. Es hätte noch gefehlt, wenn ihm der Schatz aus dem Wagen gestohlen würde. Quintus sah vielleicht einschüchternd aus, hatte aber keinerlei Wachhundqualitäten.
Jo kam aus dem Haus, als Walde hineingehen wollte. Doris und Annika hatten ihn zur Haustür begleitet.
»Was machst du denn so früh hier?«, fragte Walde.
»Ich hatte das hier bei euch liegen lassen.« Jo wies auf den aus einer bunten Jutetasche ragenden Griff seines Metalldetektors. »Und du bist beim Einkaufen ein wenig nass geworden?«
»Nicht ganz.«
»Du siehst eher aus, als wärst du in der Mosel gewesen. Was hast du denn da drin?« Jo fuhr mit dem Detektor an der Tüte entlang. Sofort piepste das Gerät. »Das sind aber keine Konserven!«
Walde umfasste mit beiden Händen den Boden der Plastiktüte.
»Komm doch rein, du bist pitschnass!«, rief Doris von der Tür her.
Walde beobachtete Jo, der die Augen nicht von der Tüte ließ.
»Papa, komm«, forderte nun auch Annika.
»Du gibst ja doch keine Ruhe«, seufzte Walde und schaute seinen Freund an, »ich zeig dir, was da drin ist.«
»Wo hast du Quintus gelassen?«, fragte Doris, während Walde die schwere Tüte über die Tageszeitung auf den Küchentisch wuchtete.
»Im Auto.« Walde nahm den Tüteninhalt vorsichtig heraus. Zum Vorschein kamen große und kleinere Klumpen aus zusammengebackenen Münzen, die meisten waren in Rollen gelegt. Viele einzelne Münzen hatten sich gelöst.
Walde erzählte, was sich bei Theis’ Witwe zugetragen hatte.
»Halt die bitte mal unter den Wasserhahn!« Walde reichte Doris eine der Münzen.
Sie ging zur Spüle: »Wahnsinn, nicht zu fassen. Das sieht ja aus wie Gold!«, rief sie Sekunden später.
»Das sieht nicht nur so aus, das ist pures Gold«, sagte Jo. Er machte große Augen. »Ich glaub, ich hab ein Déjàvu!«
Doris trat näher an den Tisch heran und betrachtete einen der Klumpen. Ein spitz herausstehendes Teil erregte ihre Aufmerksamkeit. Als sie ein wenig daran rüttelte, löste sich ein etwa fingergroßes Figürchen mit einem spitzen Hut.
»Guck mal, ein nackter Hermes oder Mars.« Sie reichte die Figur an Jo weiter. Waldes Freund griff in seine Tasche.
»Was hast du vor?«, fragte Walde misstrauisch.
Jo zog ein Papiertaschentuch hervor und wischte die Figur ab. »Dachtest du, ich stecke das Teil ein?«
»Keine Ahnung. Wenn später mal einer aus dem Museum nachprüft, was in das Kupfergefäß gepasst hat und wie viel gefunden wurde …«
»… der Theis hat sicher schon was aus dem Schatz verkauft«, unterbrach ihn Jo. »Hat sich eigentlich jemand um den Kamin gekümmert?«
»Wie?«
»Ist denn nichts in den Schornstein gefallen, als die Tüte geplatzt ist?«, fragte Jo und konnte sich ein Grinsen über den hilflosen Gesichtsausdruck seines Freundes nicht verkneifen. Er nahm eine Münze und ging damit zur Spüle. »Da ist doch, so
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