Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fluchtpunkt Mosel

Titel: Fluchtpunkt Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
einem Sanitäter, den verunglückten Motorradfahrer untersuchte.
    Sie stand am Kopfende der Liege und schaute ungerührt zu, wie die beiden Männer versuchten, dem Verletzten die Motorradjacke auszuziehen.
    Als Gabi durch den klaren Streifen über dem Milchglasfenster nach draußen sah und Grabbe erblickte, winkte sie ihn herein.
    »Das geht aber nicht!«, protestierte der Arzt.
    »Der Mann ist gefährlich«, sagte Gabi. »Der darf nicht ohne Aufsicht bleiben oder ich muss ihm Handschellen verpassen.«
    »Bei einem gebrochenen Schlüsselbein?« Der Sanitäter tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
    »Pass bloß auf«, zischte Gabi.
    Der Verletzte stöhnte, als ihm die Jacke abgestreift wurde.
    Der Arzt legte ihm eine Infusion an. »Haben Sie auch Schmerzen im Fuß?« Er berührte den rechten Stiefel, der an der Außenseite aufgerissen war.
    »Fühlt sich an wie abgerissen«, presste der Verletzte zwischen den vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Dran ist er noch, ich schau mal nach. Aber vorher gebe ich Ihnen noch was gegen die Schmerzen.« Als der Mediziner mit seiner Tasche beschäftigt war, beugte sich Gabi von hinten über das Gesicht des Verletzten.
    »Wie es Ihnen geht, brauche ich ja nicht zu fragen, François, ich darf Sie doch so nennen.«
    »Was ist?«
    »Gute Frage! Das hier ist mein Kollege Grabbe.«
    Der Arzt setzte die Spritze direkt in den Infusionsschlauch. »Könnten Sie uns bitte in Ruhe arbeiten lassen!«
    »Kein Problem, Herr Doktor, wir plaudern nur ein wenig mit dem Verletzten.«
    »Sie haben Herrn Theis also in Steineberg aufgespürt. Ihnen ist schwer zu entkommen.«
    Der Verletzte antwortete nicht.
    »Haben Sie zuerst die Hunde und dann den Ali oder zuerst den Ali umgebracht?«
    François stöhnte auf, als der Sanitäter den Reißverschluss des Stiefels öffnete. Das Innenfutter war blutgetränkt.
    »Ich hab ihn nicht umgebracht.« François sprach gepresst, als würde ihm das Sprechen Schmerzen bereiten. »Hab ihn sogar verbunden.«
    »Was haben Sie sich davon versprochen?«
    »Am nächsten Tag«, François rang nach Atem, »hätte der keine Zicken mehr gemacht.«
    »Sie waren noch mal da?«
    »Da war er tot!« François verzog das Gesicht, als der Notarzt die Kappe des Stiefels aufschnitt. »Wenn ich ihn umgebracht hätte, wäre genügend Zeit zum Abhauen gewesen.«
    »Lassen Sie uns jetzt bitte unsere Arbeit machen!«, herrschte der Mediziner Gabi an. Schweiß tropfte ihm von der Stirn.
    »Okay, okay.« Gabi nickte. »Flicken Sie ihn zusammen, damit er seine Strafe gesund verbüßen kann.«
    »Ich war’s nicht!« François’ Gesicht glänzte ebenfalls vor Schweiß.
    »Ich mach mal Platz.« Grabbe ging zur Tür und fummelte daran herum, ohne sie öffnen zu können. Er drehte sich mit beschwörendem Blick um, wobei er es vermied, zu dem blutigen Fuß zu schauen. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Endlich hatte er den richtigen Hebel gefunden und stolperte hinaus.
    »Da war nachts ein Auto, das nachher nicht mehr da war.« Der Verletzte hatte die Augen geschlossen, seine Wangenmuskeln waren angespannt, als würde er die Zähne fest aufeinander beißen. »Ich dachte, es gehörte Ali.«
    Gabi fuhr fort: »Was für ein Wagen?«
    François keuchte. »Ein Mercedes.«
     
    Ein paar Tropfen spritzten aus der Nadel, bevor der Tierarzt Quintus die Spritze setzte. »Er kriegt was für den Kreislauf. Der Schock ist schlimmer als die Verletzung.«
    »Aber die Blutung könnte schlimmer werden.«
    »Das haben wir gleich.« Rupprath schraubte die Spritze auseinander und schob sie sorgsam zurück in die Hülle.
    Kurze Zeit später hob Quintus den Kopf. Das Mittel schien bereits zu wirken.
    »Wenn auf einen Menschen geschossen wird, reagiert der zumeist mit einem Schock, zumal die Wucht eines Geschosses allein schon ausreicht, einen im wahrsten Sinne des Wortes umzuhauen. Und das ist bei Quintus nicht anders gelaufen.«
    Der Arzt entnahm der Tasche eine große Nadel.
    »Was wollen Sie denn damit?«
    »Nähen, was sonst.« Rupprath schaute über seine Brille hinweg, während er versuchte, einen Faden ins Nadelöhr zu bugsieren.
    »Könnten Sie mal Quintus’ Kopf halten?« Rupprath zeigte mit einer weit ausholenden Bewegung, wie Walde den Hund packen sollte. »Am besten ziehen Sie Ihre Jacke aus und krempeln die Ärmel hoch.«
     
    »Was hast du vor?«, fragte Grabbe, der hinzukam.
    »Halt mal, bitte.« Walde hielt ihm seine Jacke hin und krempelte die Ärmel seines Pullovers hoch.

Weitere Kostenlose Bücher