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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wir hauen hier ab. In einem Monat um diese Zeit bringe ich ihm bei, wie man wellenreitet.«
    »Doug, ich…«, begann sie. Ich hoffte, sie würde weiter für mich bitten und ihn dabei genügend ablenken, daß ich es wagen konnte, loszurennen. Aber sie brach mitten im Satz ab. Gedämpften Schrittes folgte das Rascheln des Vorhangs, der zugezogen wurde.
    »Weiter«, sagte Carmichael, jetzt wütend über ihre leise Rebellion, und er drückte es aus, indem er mir den kalten Stahl in die Nierengegend rammte.
    Ich stieß die Tür auf und trat hinaus in die Dunkelheit. Der chemische Gestank in der Luft schien stärker geworden zu sein, die Düsterkeit der Mesa bedrückender. Die leeren Gehäuse der ungenutzten Bohrtürme bildeten riesige, rostende Gerippe, die sich ergeben und still auf dem verwüsteten Terrain ausbreiteten. Ein Platz, so häßlich, daß man hier nicht einmal sterben wollte.
    Carmichael trieb mich durch den Korridor der aufgestapelten Öltonnen. Meine Augen richteten sich von der einen auf die andere Seite, suchten nach einem Fluchtweg, aber die schwarzen Zylinder bildeten hohe metallene Barrikaden, und es gab keine Lücken dazwischen.
    Ein paar Meter vor dem Ende des Durchgangs begann er zu sprechen und ließ mir die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten.
    »Ich kann es tun, wenn Sie stehen, knien oder auf dem Boden liegen, wie ich es bei den Swopes gemacht habe. Wenn es Ihnen unangenehm ist, still dazuliegen, können Sie auch rennen und sich dadurch ablenken von dem, was kommt. Ich sage Ihnen nicht, wie viele Schritte ich Ihnen gebe, und Sie können so tun, als wäre das ein ganz gewöhnlicher Lauf.
    Vielleicht so was wie ein Marathonlauf. Ich werde ganz high beim Laufen. Sie vielleicht auch, und ich nehm’ eine volle Ladung, dann merken Sie nichts mehr. Das ist wie eine große Flutwelle.«
    Meine Knie knickten ein.
    »Kommen Sie, Mann«, sagte er. »Fallen Sie nicht gleich auseinander. Treten Sie mit Haltung ab.«
    »Es wird ihnen nichts nützen, wenn Sie mich umbringen. Die Polizei weiß, daß ich hier bin. Wenn ich nicht zurückkomme, werden sie hier überall nach mir suchen.«
    »Keine Angst. Sobald Sie aus dem Weg sind, hauen wir ab.«
    »Der Junge kann in seinem Zustand nicht reisen. Sie werden auch ihn umbringen.«
    Der Doppellauf stieß schmerzhaft gegen mein Rückgrat.
    »Ich brauch’ Ihren Rat nicht. Ich kann mich selbst um alles kümmern.«
    Wir gingen schweigend weiter, bis wir das Ende des Korridors aus Blech erreicht hatten.
    »Also, wie hätten Sie’s gern?« fragte er. »Im Stehen oder Laufen?« Hundert Meter flaches, leeres Gelände lagen vor mir. Die Dunkelheit bot vielleicht etwas Schutz beim Laufen, aber dennoch würde er mich ohne Mühe abknallen können. Erst dahinter erhoben sich Hügel aus Metall - Eisenplatten, Drahtrollen, der Bohrturm, hinter dem ich den Seville geparkt hatte. Ein spärlicher Schutz, aber wenn es mir gelang, dort erst einmal in Deckung zu gehen, hatte ich Zeit, mir einen Plan zu überlegen…
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Carmichael gleichmütig und genoß sichtlich seine Rolle.
    Er hatte diese Szene schon öfters gespielt und bemühte sich sehr, sie kühl und diszipliniert über die Bühne zu bringen. Aber ich wußte, daß er so labil war wie eine Tonne Nitroglyzerin, und wenn ich ihn provozierte, zündete ich damit vielleicht die Lunte. Es kam jetzt darauf an, daß ich versuchte, ihn abzulenken. Wenn seine Wachsamkeit nachließ, gelang es mir vielleicht, zu fliehen. Oder ihn anzugreifen. Es war ein tödliches Spiel - ein einziger Wutausbruch konnte dazu führen, daß er den Finger krümmte. Aber ich hatte an diesem Punkt ohnehin nicht mehr viel zu verlieren, und die Vorstellung, mich passiv zur Schlachtbank fuhren zu lassen, war mir höchst unangenehm.
    »Haben Sie sich entschieden?«
    »Das mit der Entscheidung ist doch Bockmist, Doug, und das wissen Sie so gut wie ich.«
    »Was?«
    »Ich habe gesagt, es ist Bockmist, und Sie sind ein verdammter Scheißkerl.«
    Knurrend drehte er sich herum, warf die Flinte weg, packte mich am Hemd und zog mich zu sich heran. Dann hob er die Axt und hielt sie in der Luft.
    »Eine Bewegung, und ich schneid’ Sie in Scheiben wie ein Stück Käse.« Er keuchte vor Zorn, sein Gesicht glänzte vom Schweiß. Sein muskelbepackter Körper verströmte einen animalischen Geruch.
    Ich rammte ihm das Knie hart in den Unterleib. Er jaulte vor Schmerzen und ließ reflexartig mein Hemd los. Ich stieß ihn von mir, landete

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