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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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strohblonden Haar seines Schnurrbarts.
    »Die Polizei hat noch die Reste eines anderen Leichnams dort gefunden«, sagte ich. »Die Leiche einer Frau.« Ich ließ die Frage im Raum stehen. Er grinste.
    »Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber - nein. Ich hätte meine Mama gern dort eingescharrt, aber sie hat es mir nicht gegönnt und ist nach einem Schlaganfall vor zwei Jahren im Bett gestorben. Das hat mich total wütend gemacht, denn ich hatte es schon jahrelang geplant… Es gibt noch Platz für den Alten, und den füll’ ich eines Tages auf. Aber sie ist mir entwischt. Dann hatte ich Glück. Ich hatte einen späten Auftritt bei Lancelot, und die alte Ziege in der ersten Reihe war wirklich heiß auf mich. Hat mir Zehndollarscheine in den Slip gesteckt und meine Knöchel geleckt. War übrigens Ärztin. Radiologin. Seit ein paar Monaten geschieden und auf eine wilde Nacht aus. Sie ist in meine Garderobe gekommen, voll besoffen, hat mich befummelt und verdammt starke Signale ausgesendet. Mich hat das richtig abgetörnt, und ich wollte sie eigentlich rausschmeißen. Aber als ich dann das Licht angeschaltet hab’, da ist es mir klargeworden: Sie hätte die Zwillingsschwester meiner Alten sein können. Das gleiche vertrocknete Gesicht, die gleiche Stupsnase, die gleichen Allüren einer reichen alten Kuh.
    Ich hab’ gelächelt, hab ›Komm rein, Schätzchen‹ gesagt und sie gebumst, direkt in der Garderobe. Die Tür war nicht einmal zugesperrt, jeder hätte reinkommen können. Ihr war das egal. Sie hat einfach den Rock hochgehoben und sich drauf gesetzt. Später sind wir zu ihr gefahren, ein Penthaus, Eigentumswohnung natürlich, im Marina-Viertel. Da haben wir es noch mal gemacht, und dann hab’ ich sie im Schlaf erwürgt.« Er riß die Augen weit und unschuldig auf. »Ich hatte das Grab schon ausgesucht. Jemand mußte es ausfüllen.«
    Er lehnte die Axt an den Herd, langte mit seiner freien Hand in eine der Einkaufstüten und nahm einen großen Pfirsich heraus.
    »Mögen Sie auch einen?«
    »Nein, danke.«
    »Sie sind gut. Auch für Sie. Kalzium, Natrium, viel A und C. Eine wunderbare Henkersmahlzeit.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie Sie meinen.« Er biß in die Frucht und leckte sich dann den Saft von den Spitzen seines Schnurrbarts.
    »Ich bin keine Bedrohung für sie«, sagte ich und wählte meine Worte sehr sorgfältig. »Ich will nur ihrem kleinen Bruder helfen.«
    »Wie denn? Dadurch, daß Sie ihn mit allen möglichen Giften vollpumpen lassen? Ich hab’ alles gelesen über das Zeug, daß sie bei ihm ausprobieren wollen. Von dem Scheißdreck bekommt man erst recht Krebs!«
    »Ich will nicht lügen und Ihnen weismachen, daß die Medikamente, die er braucht, harmlos sind. Es sind starke - nun ja - Gifte, wenn man sie so nennen will. Aber sie sind notwendig, um den Tumor zu vernichten.«
    »Ich finde, das ist alles ein Haufen Scheißdreck.« Er biß die Zähne zusammen, und seine Barthaare richteten sich auf. »Sie hat mir alles von den Ärzten dort erzählt. Wieso sollten gerade Sie anders sein?«
    Er hatte den Pfirsich aufgegessen und warf den Kern in die Spüle. Dann nahm er eine Pflaume aus der Tüte und aß sie ebenfalls.
    »Kommen Sie jetzt«, sagte er schließlich und nahm wieder die Axt in die Hand. »Stehen Sie auf. Bringen wir es hinter uns. Ich wollte, ich hätte Sie schon beim erstenmal erwischt, mit der Flinte. Sie hätten nicht einmal gewußt, was mit Ihnen passiert. Jetzt werden Sie ein bißchen leiden, weil Sie wissen, was passiert, und weil Sie darauf warten müssen.«

25
    Ich ging zur Tür. Der Lauf des Gewehrs drückte gegen meinen Rücken. »Machen Sie sie langsam und vorsichtig auf«, befahl Carmichael. »Heben Sie dann die Hände über den Kopf und gehen Sie geradeaus.« Ich gehorchte ihm etwas schwankend und hörte das Rascheln des Duschvorhanges, dann Nonas Stimme. »Du brauchst ihm nichts zu tun, Doug.«
    »Geh wieder hinein. Laß mich das machen.«
    »Aber wenn er recht hat? Woody ist so heiß, als ob er von innen verbrennt…«
    »Ich hab’ gesagt, ich mach’ das!« fuhr der blonde Mann sie an.
    Offenbar war er mit seiner Geduld am Ende.
    Ihre Reaktion darauf, die ich nicht sehen konnte, ließ seine Stimme wieder weicher werden.
    »Tut mir leid, Schwester. Es ist nicht leicht, und wir sind alle gestreßt. Wenn ich mit ihm fertig bin, setzen wir uns hin und rasten aus und nehmen B-zwölf. Und dann zeig’ ich dir, wie man den Kleinen abkühlt. In ein, zwei Wochen ist er gesund, und

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