Flüchtig!
nur so gesagt, um Sie loszuwerden.«
Ich nickte. Inzwischen bot sich eine andere Erklärung dafür: Wunschdenken. Mittlerweile hatte er seine sexuellen Impulse gegenüber dem Mädchen, das er seine Schwester nannte, weitgehend zurückgedrängt, und ich hoffte, daß es dabei blieb.
»Weil ich anders zu ihr gewesen bin als die anderen Männer, ist das zwischen uns etwas ganz Besonderes geworden. Statt über sie herzufallen, hab’ ich ihr zugehört. Habe mir angehört, was sie bedrückte: ihre Schmerzen und ihre Not. Ich habe ihr von den meinen erzählt. Den ganzen Sommer über haben wir uns getroffen und miteinander geredet. Und den nächsten Sommer. Inzwischen freute ich mich, wenn ich wieder hierherkam, um auf den Ölfeldern zu arbeiten.
Wir haben uns mit der Zeit immer besser kennengelernt und gemerkt, daß wir beide eigentlich das gleiche durchgemacht haben und einander ähnlich waren: zwei Hälften einer Person. Die männliche und die weibliche Komponente. Bruder und Schwester, aber noch viel mehr. Verstehen Sie, was ich meine?«
Ich bemühte mich, verständnisvoll dreinzuschauen, und wollte ihn nicht in seinem Redefluß unterbrechen. »Sie haben eine Identität gebildet. Wie Zwillinge.«
»Ja, genau. Es war wundervoll. Aber dann hat der alte Schweinehund die Bohrungen eingestellt und alles hier dichtgemacht. Ich bin trotzdem hergefahren. An den Wochenenden. In den Ferien, eine Woche oder länger. Hab’ hier drinnen gepennt - es war der Wohnwagen des Wachmanns. Ich hab’ für sie gekocht. Ihr gezeigt, wie man kocht. Ihr bei der Hausarbeit geholfen. Ihr das Autofahren beigebracht. Nachts sind wir lange spazierengegangen.
Und immer haben wir geredet. Wie wir unsere Eltern töten, unsere Wurzeln vernichten wollten. Und neu beginnen, eine neue Familie gründen. Wir machten Picknick in den Wäldern. Ich wollte, daß der Kleine mitkommt, damit auch er ein Teil der Familie wird. Aber sie haben ihn nicht aus den Augen gelassen. Sie hat viel von ihm erzählt, und davon, wie sie ihr Recht behaupten wollte. Ich sagte ihr, sie sollte das tun, sprach mit ihr über Emanzipation. Wir machten Pläne für den nächsten Sommer. Wir drei auf einer Insel. Oder in Australien. Ich hab’ schon Prospekte gesammelt , um den besten Ort für uns rauszusuchen, da ist er krank geworden.
Sie hat mich angerufen, sobald sie in Los Angeles waren. Ich sollte helfen, ihr einen Job besorgen, vielleicht als Assistentin bei einer Quizshow oder so, aber ich sagte ihr, daß man dafür gute Verbindungen braucht. Außerdem habe ich damals schon für Adam & Eve gearbeitet. Also hat die Rambo uns zusammenarbeiten lassen. Das ging wunderbar; die Szenen sind uns prima gelungen. Wir brauchten nicht einmal zu proben, weil jeder von uns wußte, was der andere dachte. Wir haben schöne Trinkgelder bekommen, und ich hab’ sie ihr zum Verwahren gegeben.
Dann eines Abends ruft sie mich an, total in Panik, sagt, daß sie die Eltern zur Rede gestellt hat und daß sie danach den Jungen aus dem Krankenhaus entführt haben. Ich muß ehrlich sagen, mir hat der Gedanke auch nicht gefallen, daß er in einem Krankenhaus sein sollte; aber jetzt hab’ ich befürchtet, daß sie über die Grenze verschwinden und ihn irgendwo hinschleppen, damit sie ihn nie wiedersieht.
Also fahre ich hin und komme in dem Augenblick, als sie am Aufbrechen sind. Swope ist aus der Tür gekommen, als ich aufgemacht hab’. Ich hab’ ihn nie zuvor gesehen, wußte aber, was für ein Dreckskerl er war. Er hat das Maul aufgerissen, und ich hab’ ihm ein Ding auf die Schnauze gegeben. Da ist er erst mal weggetreten. Dann ist die Frau rausgekommen, hat mich angeschrien, und ich hab’ ihr auch eins verpaßt, gegen die Schläfe.
Da lagen alle zwei, waren erst mal für ’ne Weile hinüber. Der kleine Junge war wie betäubt und hat im Schlaf gemurmelt. Nona ist auf einmal ganz wütend geworden und hat das Zimmer kurz und klein geschlagen. Ich hab’ sie beruhigt und ihr gesagt, sie solle erst mal hierbleiben und auf mich warten. Dann hab’ ich die zwei Bewußtlosen in den Corvette gepackt; sie auf den Rücksitz, ihn nach vorne, bin zum Strand von Playa Del Rey gefahren, und als ein Flugzeug drübergebraust ist, hab’ ich sie abgeknallt. Anschließend hab’ ich sie zu einer Stelle im Benedict Canyon gebracht, die ich kenne, und hab’ sie dort eingebuddelt. Sie haben es nicht anders verdient.«
Er ließ die Axt wie einen Majorettenstab in der Luft wirbeln und kaute dann an einem
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