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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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selbst am Boden, rutschte rückwärts wie ein Krebs und zerkratzte mir dabei die Knie und die Handflächen. Während ich mich wieder hochkämpfte, trat ich mit dem einen Fuß auf etwa Glattes, Rundes. Eine große Metallfeder. Sie begann zu rollen, und ich verlor dabei das Gleichgewicht und fiel flach auf den Rücken.
    Carmichael hechtete vorwärts und atmete heftig wie ein Kind, das aus einem Alptraum erwacht. Die Schneide der Axt funkelte im Mondlicht. Gegen die Schwärze des Himmels sah der muskulöse Kerl riesig aus, wie ein Fabelwesen.
    Ich stieß mich hoch und kroch weg von ihm.
    »Sie haben nichts als ein großes Maul«, keuchte er. »Keine Klasse, kein Stil. Ich wollte Ihnen Gelegenheit geben, in Frieden zu sterben. Ich wollte fair sein, aber das war Ihnen egal. Jetzt wird es weh tun. Jetzt mach’ ich Sie damit fertig.« Er packte die Axt, um seine Drohung zu unterstreichen. »Langsam. Ich mach Sie zu Abfall, Stück für Stück. Zuletzt werden Sie um eine Kugel betteln.«
    Eine Gestalt tauchte hinter den Öltonnen auf.
    »Wirft die Axt weg, Doug.«
    Sheriff Houten sprang in den Zwischenraum, und sein 45er Colt war wie eine nickelplatinierte Hand, die sich Carmichael entgegenstreckte.
    »Wirf sie weg«, wiederholte er und zielte mit der Waffe auf Carmichaels Brust.
    »Laß uns in Ruhe, Ray«, erwiderte der blonde Mann. »Ich muß erst das, was wir begonnen haben, zu Ende bringen.«
    »Aber nicht so.«
    »Es gibt keinen anderen Weg«, beharrte Carmichael. Der Polizeibeamte schüttelte den Kopf.
    »Ich hab’ gerade mit einem gewissen Sturgis bei der Mordkommission von Los Angeles telefoniert. Er hat nach dem Doktor hier gefragt. Jemand hat ihn in der Nacht von vorgestern auf gestern beschossen, aber dabei den Falschen getroffen. Seit gestern ist der Doktor verschwunden.
    Jetzt sucht man nach ihm. Ich dachte mir gleich, daß er irgendwo hier in der Gegend sein müßte.«
    »Er versucht, meine Familie zu zerstören, Ray. Du selbst hast mich vor ihm gewarnt.«
    »Du bist verwirrt, mein Junge. Ich hab’ dir gesagt, daß er nach der Umgehungsstraße gefragt hat, also solltest du dir ein anderes Versteck suchen. Deshalb habe ich dich gewarnt - natürlich dachte ich nicht im Traum daran, daß du ihn daraufhin umbringen wolltest. Laß jetzt endlich die Axt los, dann können wir in Ruhe darüber reden.«
    Er zielte mit dem Dienstrevolver auf Carmichael und schaute zu mir herunter.
    »Verdammt blöd von Ihnen, Doktor, hier herumzukriechen.«
    »Das war mir lieber als im Stehen abgeknallt zu werden. Abgesehen davon: Drüben im Wohnwagen ist ein kleiner Junge, der dringend in ärztliche Behandlung muß.«
    Er schüttelte wild den Kopf.
    »Der Junge wird sterben.«
    »Das ist nicht wahr, Sheriff. Er kann behandelt und wahrscheinlich geheilt werden.«
    »Das hat man bei meiner Frau auch gesagt. Ich hab’ es zugelassen, daß man sie aufgeschnitten und mit Gift gefüllt hat, aber der Krebs hat sie trotzdem aufgefressen.« Jetzt richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf Carmichael.
    »Ich hab’ dich bis zu einem bestimmten Punkt unterstützt, Doug, aber jetzt gehst du zu weit. Leg die Axt auf den Boden.«
    Die zwei Männer schauten sich in die Augen. Ich ergriff die Gelegenheit, mich aus der Reichweite der Axt zu rollen. Carmichael sah es und holte aus.
    Der 45er gab einen Feuerstoß von sich. Carmichael wurde nach hinten gerissen und schrie vor Schmerzen. Er hielt eine Hand zur Seite; das Blut lief ihm zwischen den Fingern hindurch. Kaum zu glauben, aber er ließ den Griff der Axt noch immer nicht los.
    »Du - du hast mich getroffen«, murmelte er in ungläubigem, kindlich klagendem Ton.
    »Das ist nur eine Fleischwunde«, sagte Houten ruhig. »Die wirst du überleben. Jetzt laß endlich diese verdammte Axt los, Junge.«
    Ich stand auf und näherte mich der auf dem Boden liegenden Flinte, hielt mich dabei aber außerhalb der Reichweite des blonden Mannes.
    Die Tür des Wohnwagens ging auf, und weißes Licht ergoß sich über den Weg. Nona kam heraus und rief Carmichaels Namen.
    »Nimm die Flinte, Schwester!« stieß Carmichael zwischen den vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Hand, mit der er die Axt hielt, zitterte. Die andere an seiner Seite war glänzend rot von der Handwurzel bis zu den Fingerspitzen. Blut lief klebrig über seinen Knöchel und tropfte zu Boden.
    Das Mädchen blieb abrupt stehen und schaute mit weit aufgerissenen Augen den Morast an, der sich zwischen Carmichaels Füßen scharlachrot

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