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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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einem Fragezeichen auf dem Gesicht.
    Raoul machte mich mit der Schwester bekannt, die Ellen Beckwith hieß.
    »Gut«, sagte sie. »Leute wie Sie können wir hier gebrauchen.«
    »Doktor Delaware hat früher in dieser Abteilung die psychosoziale Fürsorge koordiniert. Er ist ein internationaler Experte für die psychologischen Wirkungen reversibler Isolation.«
    »Oh, großartig! Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    Ich nahm die fleischige Hand, die sich mir entgegenstreckte.
    »Ellen«, sagte Raoul, »wann kommen Mr. und Mrs. Swope zurück?«
    »Keine Ahnung, Doktor. Sie waren die ganze letzte Nacht hier, dann sind sie gegangen. Meistens kommen sie im Lauf des Tages vorbei, also werden sie sicher auch heute irgendwann hier sein.«
    Er biß die Zähne zusammen.
    »Das hilft mir wirklich sehr, Ellen«, sagte er scharf.
    Die Schwester lief rot an, und ihr fleischiges Gesicht zeigte jetzt den Ausdruck eines Tieres, das man in einen ungewohnten Pferch eingeschlossen hat. »Tut mir leid, Doktor, aber sie brauchen uns nicht mitzuteilen, wann…«
    »Schon gut. Irgend etwas Neues mit dem Jungen, was noch nicht in die Behandlungsakte eingetragen ist?«
    »Nein, Sir, wir warten noch auf…« Sie sah seine Miene und brach ab.
    »Doktor, ich wollte gerade die Bettwäsche auf Station drei wechseln, wenn Sie also nichts…«
    »Gehen Sie. Aber holen Sie mit zuvor noch Beverly Lucas her.«
    Sie warf einen Blick auf eine Tafel am anderen Ende des Raums.
    »Sie hat sich abgemeldet, auf Funkkontakt, Sir.«
    »Dann lassen Sie sie kontaktieren, zum Teufel.« Sie eilte davon.
    »Und das wollen Profis sein«, sagte er. »Gleichberechtigte Partner, die mit den Ärzten Hand in Hand arbeiten! Unglaublich.«
    »Nimmst du etwas gegen die Schmerzen?« fragte ich ihn. Die Frage traf ihn unvorbereitet.
    »Was? Ach so - es ist nicht so schlimm«, log er und zwang sich zu einem Lächeln. »Hier und da nehme ich etwas, ja.«
    »Hast du es schon mal mit Bio-Feedback oder mit Hypnose versucht?« Er schüttelte den Kopf.
    »Das solltest du aber. Es funktioniert. Du kannst lernen, die Gefäße bewußt zu erweitern oder zu verengen.«
    »Keine Zeit zum Üben.«
    »Es dauert nicht lange, wenn der Patient motiviert ist.«
    »Ja, nun…« Er wurde vom Telefon unterbrochen, nahm den Hörer ab, bellte ein paar Befehle hinein, legte ihn wieder auf.
    »Das war Beverly Lucas, unsere Sozialarbeiterin. Sie wird gleich hier sein, um dich zu informieren.«
    »Ich kenne Bev. Sie war Studentin, als ich hier noch gearbeitet habe.« Er hielt die Hand mit der Fläche nach unten und bewegte sie von der einen auf die andere Seite. »So, so - oder was meinst du?«
    »Ich habe sie immer für ziemlich klug gehalten.«
    »Wenn du es sagst.« Es klang skeptisch. »Bei dieser Familie jedenfalls war sie uns keine große Hilfe.«
    »Vielleicht sagst du das in Kürze auch von mir, Raoul.«
    »Du bist anders, Alex. Du denkst wie ein Wissenschaftler, aber du kannst wie ein gewöhnlicher Sterblicher mit den Patienten sprechen.
    Das ist ein seltenes Talent. Deshalb habe ich dich seinerzeit angefordert, mein Freund.«
    Er hatte mich keineswegs angefordert, aber ich widersprach ihm nicht. Vielleicht war ihm entfallen, wie es wirklich begonnen hatte.
    Vor einigen Jahren hatte er einen gutdotierten Forschungsauftrag der Regierung erhalten: er sollte den medizinischen Nutzen der Isolierung von krebskranken Kindern in keimfreier Umgebung studieren. Die künstliche Umwelt wurde ihm von der NASA geliefert: Plastikmodule, die dort dazu benutzt wurden, die vom Raumflug zurückkehrenden Astronauten zu isolieren, damit sie die Menschheit nicht mit kosmischen Krankheitserregern infizierten. Diese Module wurden fortwährend mit keimfreier, gefilterter Luft gleichmäßig in laminarer Strömung durchflutet. Die rasche und zugleich flüssige Luftströmung in mehreren Schichten war wichtig, weil sie Wirbel und Turbulenzen verhinderte, in denen sich Keime sammeln und vermehren konnten.
    Die Bedeutung einer wirksamen Möglichkeit, Krebspatienten vor Mikroben zu schützen, lag auf der Hand, wenn man etwas von Chemotherapie verstand. Viele Medikamente, die dazu benutzt wurden, Tumore abzutöten, legten gleichzeitig das Immunsystem des Körpers lahm. Viele Patienten starben an Infektionen, die erst durch die Behandlung herbeigerufen worden waren, und nicht an der Krankheit selbst.
    Raouls Ruf als Forscher war unangreifbar, und die Regierung stellte ihm vier Module zur Verfügung, dazu genügend Geld, um auf

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