Flüchtig!
einen schmalen, langen Hals und elegante, schlanke Hände, die in scharlachrot lackierten Nägeln endeten. Sie trug einen weißen Hosenanzug aus dünnem T-Shirt-Material und hatte ihn mit einem Silberband gegürtet, der die schmale Taille und die flache Magenpartie betonte. Der weiche Baumwollstoff schmiegte sich an alle Kurven und Rundungen und endete in halber Schenkelhöhe.
Ihr Gesicht war oval, mit einem Grübchen im Kinn. Sie hatte hervorstehende Wangenknochen und eine hohe Kieferstruktur, die zu den Ohren ohne ausgeprägte Ohrläppchen führte. Beide Ohren waren durchstochen und geschmückt mit dünnen Ringen aus gehämmertem Gold. Ihre Lippen waren voll und deutlich gezeichnet, ihr Mund ein üppiger roter Schlitz.
Aber am aufregendsten war die Kombination der Farben.
Ihr Haar war lang, dicht, von der glatten, hohen Stirn streng nach hinten gekämmt und kupferrot. Doch im Gegensatz zu den meisten Rothaarigen hatte sie nicht die üblichen Sommersprossen und die Buttermilchhaut. Ihr Teint war fleckenlos und zeigte tiefe kalifornische Bräune. Die Augen standen weit auseinander: tintenschwarz, mit dichten Wimpern. Vielleicht benutzte sie zuviel Make-up, hatte dabei aber die Augenbrauen ausgespart. Sie waren buschig und dunkel, mit einer natürlichen Wölbung nach oben, was ihr ein apartes Aussehen verlieh. Sie war eine Frau, die kein Mann übersehen konnte, eine bemerkenswerte Mischung aus Einfachem und Auffälligem, und sie wirkte überwältigend körperlich, ohne daß sie das auch nur im geringsten zu betonen brauchte.
»Hallo«, sagte Raoul.
Sie verlagerte das Gewicht und musterte uns beide.
»Hi.« Sie sprach gedehnt und mürrisch und schaute uns dabei gelangweilt an. Als ob sie ihre Apathie unterstreichen wollte, wandte sie sich dann von uns ab und nahm einen Zug aus ihrer Zigarette.
»Nona, das ist Doktor Delaware.«
Sie nickte und zeigte sich wenig beeindruckt.
»Er ist Psychologe, ein Experte in der Betreuung Krebskranker Kinder. Er hat früher hier gearbeitet, in der Abteilung der Strömungskammern.«
»Hallo«, sagte sie pflichtschuldig. Ihre Stimme war leise, fast nur ein Flüstern, ohne deutliche Betonungen. »Wenn er mit meinen Eltern sprechen will - die sind noch nicht hier.«
»Äh - ja, das wollte er eigentlich. Wann kommen sie wieder?«
Das Mädchen zuckte mit den Schultern und flippte die Asche auf den Boden.
»Sie haben mir nichts gesagt. Sie haben hier im Krankenhaus geschlafen, also sind sie wahrscheinlich in ihr Motel gefahren, um ihre Sachen zusammenzupacken. Vielleicht kommen sie heute abend noch, vielleicht morgen.«
»Aha. Und wie geht es?«
»Gut.« Sie blickte zur Decke und tippte mit einem Fuß auf den Boden. Raoul hob die Hand, um ihr das klassische Schulterklopfen des Arztes zu verpassen, aber ihr Blick hielt ihn davor zurück, und er senkte die Hand augenblicklich.
Mit der ist nicht gut Kirschen essen, dachte ich, aber das war schließlich auch kein Freudentag für sie.
»Was macht Woody?« fragte er.
Die Frage brachte sie augenblicklich in Wut. Ihr schlanker Körper straffte sich; sie ließ die Zigarette fallen und trat sie mit dem Absatz aus. Tränen bildeten sich in den Innenwinkeln ihrer Mitternachtsaugen.
»Verdammt, Sie sind schließlich der Doktor! Warum sagen Sie nicht mir, wie es ihm geht!« Sie verzerrte das Gesicht, drehte sich um und lief davon.
Raoul wich meinem Blick aus. Er bückte sich, hob den zertretenen Zigarettenstummel auf und warf ihn in einen Aschenbecher. Dann hielt er sich eine Hand vor die Stirn, atmete tief ein und machte eine Migräne-Grimasse. Es sah aus, als ob die Schmerzen unerträglich wären.
»Komm schon«, sagte er. »Gehen wir hinein.«
Ein handgeschriebenes Schild vor dem Raum der Stationsschwester lautete: ›Willkommen bei der Medizin des Raumzeitalters‹.
Das Schwarze Brett war mit einem Wald von Blättern behängt:
Dienstpläne, Karikaturen aus Zeitschriften, Dosierungshinweise für die Chemotherapie und das Foto eines berühmten Spielers der Dodgers mit einem Jungen in einem Rollstuhl, handsigniert. Das Kind hielt den Schläger mit beiden Händen und schaute zu dem Baseballspieler hinauf, der sich offenbar etwas unbehaglich fühlte.
Raoul nahm eine Behandlungsakte aus einem Körbchen und sah sie durch. Dann knurrte er und drückte auf einen Knopf oberhalb des Schreibtischs. Sekunden später streckte eine untersetzte Frau in Weiß den Kopf herein.
»Ja - oh, hallo, Doktor Melendez.« Sie sah mich und nickte mit
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