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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Charakter abgestoßen. Vier davon blieben bis zur Hochzeit, und er wurde Vater von elf Kindern; die meisten davon sah er jedoch fast nie.
    Ein komplizierter und schwieriger Mann.
    Jetzt saß er in einem Plastiksessel in einem schäbigen kleinen Büro und spielte sich als Macho auf gegenüber der Kreissäge, die seinen Schädel zu spalten drohte.
    »Ich möchte den Jungen sehen«, sagte ich.
    »Natürlich. Ich kann dich, wenn du willst, ihm jetzt gleich vorstellen.« Als er aufstehen wollte, kam Beverly Lucas herein.
    »Guten Morgen, Gentlemen«, sagte sie. »Alex - wie nett, Sie hier zu sehen.«
    »Hallo, Bev.«
    Ich stand auf, und wir umarmten uns kurz.
    Sie sah gut aus, war aber beträchtlich magerer als ich sie in Erinnerung hatte. Damals, es lag nun schon Jahre zurück, war sie eine fröhliche, fast unschuldig wirkende Studentin gewesen, voller Begeisterung für ihren Beruf. Jetzt mußte sie um die Dreißig sein, und aus der damaligen koboldhaften Schlauheit war so etwas wie weibliche Entschlossenheit geworden. Sie war klein und rundlich und hell, mit rosigen Wangen und strohblondem Haar, das sie in langen, weichen Dauerwellen trug. Ihr rundes, offenes Gesicht wurde von den großen, haselnußbraunen Augen beherrscht und zeigte nicht die Spur von Make-up. Sie trug keinen Schmuck, und ihre Kleidung war einfach - ein knielanger, marineblauer Rock, eine kurzärmelige, rot-blau karierte Bluse, dazu flache Laufschuhe. Sie hatte eine übergroße Handtasche bei sich, die sie jetzt auf den Schreibtisch segeln ließ.
    »Sie sind schlank geworden«, sagte ich.
    »Das kommt vom Laufen. Ich laufe jetzt Langstrecke.« Sie bewegte die Beinmuskeln und lachte dazu.
    »Sehr beeindruckend.«
    »Ein gutes Mittel, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen.« Sie setzte sich auf die Schreibtischkante. »Was bringt Sie denn hierher nach all der Zeit?«
    »Raoul möchte, daß ich ihm bei den Swopes helfe.«
    Ihre Miene veränderte sich abrupt; die Züge verhärteten sich, und sie sah ein paar Jahre älter aus. In gezwungen freundlichem Ton sagte sie:
    »Na, dann wünsche ich Ihnen viel Glück.«
    Raoul stand auf und begann mit einer seiner Lektionen.
    »Alex Delaware ist Experte für die psychosoziale Betreuung von Kindern mit bösartigen…«
    »Raoul«, unterbrach ich ihn, »ich finde, Beverly sollte mich über den Fall informieren. Sie weiß, wer ich bin, und du brauchst zu diesem Thema keine Zeit zu vergeuden.«
    Er schaute auf seine Armbanduhr.
    »Ja, natürlich.« Und zu Beverly: »Berichten Sie ihm alles ausführlich und genau?«
    »Selbstverständlich, Doktor Melendez-Lynch«, antwortete sie zuckersüß.
    »Soll ich dich jetzt mit Woody bekannt machen?«
    »Nicht nötig. Bev wird sich darum kümmern.«
    Seine Blicke richteten sich von mir auf sie, zuletzt wieder auf seine Uhr.
    »Na schön, dann haue ich jetzt ab. Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
    Er nahm das Stethoskop vom Hals und hielt es in der Hand, als er den kleinen Raum verließ.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich zu Beverly, als wir allein waren.
    »Vergessen Sie’s. Es ist nicht Ihre Schuld. Aber er ist manchmal ein furchtbares Arschloch.«
    »Sie sind schon die zweite, die er heute morgen gegen sich aufgebracht hat.«
    »Bis heute abend werden es noch ein paar mehr sein. Wer war die erste?«
    »Mona Swope.«
    »Ach die! Sie ist unzufrieden mit sich und der Welt.«
    »Es ist sicher nicht leicht für sie«, sagte ich.
    »Stimmt, aber ich vermute, sie war schon eine zornige junge Lady, lange bevor ihr kleiner Bruder an Krebs erkrankt ist. Ich habe versucht, eine persönliche Beziehung zu ihr herzustellen, genau wie mit den anderen, aber sie verschließt sich vor mir. Sie können das natürlich viel besser«, fügte sie in bitterem Ton hinzu.
    »Bev, ich behaupte nicht, daß ich Wunder vollbringen kann. Raoul hat mich in panischer Stimmung angerufen, ohne mir auch nur anzudeuten, worum es wirklich geht, und ich habe versucht, einem Freund eine Gefälligkeit zu erweisen, das ist alles.« Es funktionierte.
    »Okay, Alex, tut mir leid, wenn ich so eklig gewesen bin. Aber man kann nun mal nicht mit ihm zusammenarbeiten; er lobt einen nicht, wenn man etwas gut gemacht hat, dafür teilt er die unglaublichsten Vorwürfe aus, falls etwas nicht ganz so klappt, wie er es sich wünscht. Ich habe um Versetzung eingereicht, doch solange man keinen Idioten findet, der bereit ist, meine Stellung hier einzunehmen, muß ich bleiben.«
    »Niemand hält es bei dieser Art von Arbeit

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