Flüchtig!
war selten hier, und wenn, dann hat sie sich vor uns allen abgekapselt.«
Er wischte sich wieder die Nase und stand auf.
»Ich mag diesen ganzen Klatsch nicht«, sagte er. »Hab’ schon zuviel darüber geredet.«
Dann nahm er seinen weißen Mantel, warf ihn sich über die Schulter, drehte sich um und ließ mich sitzen. Ich schaute ihm nach, wie er davonging und dabei die Lippen bewegte, als spreche er ein stummes Gebet.
Es war schon nach acht, als ich den Beverly Glen erreichte. Mein Haus liegt auf dem höchsten Punkt eines alten Saumpfads, den die Stadt glücklicherweise vergessen hat. Es gibt keine Straßenlaternen, und die Zufahrt windet sich in wilden Serpentinen von der Sohle des engen Tals nach oben, aber da ich jede Kurve auswendig kannte, fuhr ich wie im Schlaf nach Hause. Im Briefkasten lag ein Liebesbrief von Robin. Ich wurde richtig high davon, aber nachdem ich ihn zum viertenmal gelesen hatte, setzte bei mir ein Gefühl dumpfer Trauer ein.
Es war zu spät, um die Koi zu füttern, also nahm ich ein heißes Bad, frottierte mich ab, zog meinen verschlissenen gelben Bademantel an und ging mit einem Glas Cognac in die kleine Bibliothek neben dem Schlafzimmer. Dort schrieb ist zwei längst überfällige Gerichtsgutachten zu Ende, machte es mir dann in einem alten Sessel bequem und schaute den Stapel von Büchern durch, die zu lesen ich mir vorgenommen hatte.
Das erste, was ich in die Finger bekam, war eine Sammlung von Diane-Arbus-Fotografien, aber die gnadenlosen Porträts von zwergwüchsigen, verkrüppelten und verkommenen Menschen stimmte mich noch deprimierter. Die beiden nächsten Bücher waren auch nicht dazu angetan, mich aufzumuntern, also nahm ich meine Gitarre, schaute hinauf zu den Sternen und zwang mich dazu, nur in Dur-Tonarten zu spielen.
10
Als ich am nächsten Morgen auf die Terrasse hinausging, um die Zeitung zu holen, sah ich etwas vor meiner Tür liegen: wie eine übergroße Schnecke und stark aufgedunsen.
Es war eine tote Ratte. Um den Hals hatte man ihr einen Hanfstrick gebunden. Die leblosen Augen waren offen, das Fell verklebt und fettig. Die erschreckend menschlichen Vorderpfoten waren in einer bittenden Geste erstarrt. Aus der halboffenen Schnauze ragten die maisgelben Nagezähne.
Unter dem steifen Tierkörper lag ein Stück Papier. Ich benützte die Los Angeles Times, um den toten Nager wegzuschubsen. Er klebte, rutschte dann wie ein Puck an den Rand der Terrasse.
Es war wie aus einem alten Gangsterfilm: die Buchstaben aus einer Illustrierten ausgeschnitten und zusammengeklebt.
DAS IST FÜR DICH GELDGIERIGEN SCHÄDELSCHRUMPFER.
Ich wäre ohnehin daraufgekommen, aber damit war mir alles klar.
Ich opferte den Anzeigenteil, wickelte die Ratte darin ein und trug sie hinunter zur Mülltonne. Dann ging ich ins Haus und ans Telefon.
Mal Worthys Sekretärin hatte eine Sekretärin, und ich mußte mich bei beiden durchsetzen, um zu ihm selbst durchzukommen.
Bevor ich ein Wort sagen konnte, erklärte er: »Ich weiß. Ich hab’ auch eine bekommen. Welche Farbe hatte deine?«
»Bräunlich-grau, mit einem Strick um den dünnen, kleinen Hals.«
»Da kannst du noch von Glück reden. Die meine kam geköpft an, in einer Schachtel. Beinahe hätte ich deshalb eines meiner Postmädchen verloren. Sie wäscht sich noch immer die Hände.«
Er versuchte, mit gespielter Fröhlichkeit darüber hinwegzugehen, aber seine Stimme klang alles andere als fröhlich.
»Ich habe gleich gewußt, daß der Kerl verrückt ist«, sagte er.
»Woher weiß er, wo wir wohnen?«
»Steht deine Adresse nicht auf dem Resümee?«
»Ach, Scheiße. Und was hat seine Frau bekommen?«
»Nichts. Ergibt das irgendeinen Sinn?«
»Aussichtslos, bei dem Kerl nach einem Sinn zu suchen. Was können wir tun?«
»Ich habe bereits einen Gerichtsbeschluß beantragt, der ihm untersagt, sich einem von uns mehr als tausend Meter zu nähern. Aber um ehrlich zu sein, es gibt nichts, was ihn ernstlich daran hindern könnte. Wenn er dabei erwischt wird, ist das etwas anderes, doch darauf wollen wir es gar nicht erst ankommen lassen, oder?«
»Das klingt nicht sehr beruhigend, Malcolm.«
»Das ist die Demokratie, mein Freund.« Erhielt inne. »Nimmst du unser Gespräch auf Band auf?«
»Natürlich nicht.«
»War nur eine Frage. Es gibt noch eine Möglichkeit, aber sie wäre zu riskant, bevor die Vermögensverhältnisse geklärt sind.«
»Was ist das für eine Möglichkeit?«
»Für fünfhundert Dollar kann ich ihn so
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