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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ich nahm ihren Arm, und wir zwängten uns durch die Wogen von Fleisch. Eine Menge männlicher Augenpaare folgten ihr mit den Blicken, doch sie schien es nicht zu bemerken.
    Es gab ein wenig Verwirrung, weil sie beim Geschäftsführer unter dem Namen ›Luke‹ reserviert hatte, ohne es mir mitzuteilen, aber wir klärten gemeinsam die Angelegenheit und wurden dann an einen Ecktisch plaziert, unter einem riesigen Efeubusch.
    »Verdammt«, sagte sie. »Jetzt hab’ ich meinen Drink an der Bar stehenlassen.«
    »Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee?«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Glauben Sie, ich bin betrunken, oder was?«
    Sie redete klar und deutlich und bewegte sich normal. Nur die Augen verrieten sie, wenn sie sich in rascher Folge auf nahe und ferne Objekte einstellten.
    Ich lächelte und zuckte mit den Schultern.
    »Sie gehen lieber auf Nummer Sicher, was?« Jetzt lachte sie.
    Ich winkte dem Kellner und bestellte Kaffee für mich. Sie ließ sich ein Glas Weißwein bringen. Es schien ihr nichts auszumachen. Sie hielt sich, wie das nur Gewohnheitstrinker können.
    Eine Weile danach kam der Kellner wieder an unseren Tisch. Beverly bat mich, als erster zu bestellen, während sie sich noch mit der Speisekarte befaßte. Ich blieb bei einfachen Dingen, wählte einen kleinen Spinatblattsalat und gedünstetes Huhn, weil es in solchen ›In‹- Lokalen meist miserables Essen gibt und ich etwas haben wollte, was eigentlich nicht falsch zubereitet werden konnte.
    Sie studierte die Speisekarte, als ob es sich um ein Lehrbuch handelte, dann blickte sie mich strahlend an.
    »Ich nehme Artischocke«, sagte sie zu dem Kellner.
    »Warm oder kalt, Ma’am?«
    »Äh - kalt.«
    Der Kellner notierte es und schaute sie erwartungsvoll an. Als sie nichts sagte, fragte er, ob das alles sei.
    »Mhm.«
    Er ging kopfschüttelnd davon.
    »Ich esse oft Artischocken, weil man beim Laufen Natrium verliert und Artischocken viel Natrium enthalten.«
    »Aha.«
    »Und als Dessert nehme ich etwas mit Bananen, weil Bananen einen hohen Anteil an Kalium haben. Wenn man viel Natrium zu sich nimmt, muß man zum Ausgleich auch Kalium nehmen.«
    Ich hatte sie immer für eine vernünftige junge Lady gehalten, die vielleicht etwas zu hart mit sich selbst war und zu sehr dem Asketentum zuneigte. Die beschwipste Puppe, die mir gegenüber am Tisch saß, war mir fremd.
    Sie sprach übers Marathonlaufen, bis das Essen kam. Als die Artischocke vor ihr stand, starrte sie sie an und begann dann geziert an den Blättern zu zupfen.
    Mein Essen war ungenießbar - der Salat sandig, das Huhn ausgetrocknet. Ich spielte damit, um es nicht essen zu müssen.
    Als sie die Artischocke entblättert und verputzt hatte und sich dabei etwas beruhigt zu haben schien, fragte ich sie, worüber sie so dringend mit mir sprechen wollte.
    »Das ist sehr schwierig, Alex.«
    »Sie brauchen es mir nicht zu sagen, wenn Sie nicht wollen.«
    »Ich komme mir vor wie - wie eine Verräterin.«
    »Gegenüber wem?«
    »Scheiße.« Sie wich meinem Blick aus. »Wahrscheinlich ist es nicht einmal wichtig, und ich verbrenne mir wegen nichts und wieder nichts den Mund, aber ich muß immer an Woody denken und frage mich, wie lange es dauern wird, bis sich die Metastasen festsetzen - wenn es nicht schon so weit ist -, und ich will etwas dagegen tun und mich nicht mehr so hilflos fühlen.«
    Ich nickte und wartete. Sie gab sich einen Ruck.
    »Augie Valcroix kennt die zwei Leute von der Sekte, die die Swopes besucht haben«, sagte sie.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe gesehen, wie er mit ihnen geredet hat, sie bei ihren Namen nannte, und ich habe ihn später gefragt. Er sagte, er hätte sie einmal besucht und fände es dort sehr schön. So friedlich.«
    »Hat er gesagt, warum er sie besucht hat?«
    »Ja, weil er sich für alternative Lebensmöglichkeiten interessiert. Ich weiß, daß das stimmt, denn er hat mir früher schon von anderen Gruppen erzählt, die er besuchte: die Scientologen die Lifespring-Leute und eine Buddhistengruppe in Santa Barbara. Er ist Kanadier, wissen Sie, und er hält das Leben hier in Kalifornien für faszinierend.«
    »Glauben Sie, daß es zwischen ihm und diesen Berührungs-Leuten eine Art Absprache gibt?«
    »Nein. Aber sie haben sich gekannt.«
    »Sie sagten, er hätte ihre Namen genannt. Erinnern Sie sich auch an die Namen?«
    »Den Mann hat er Gary oder Barry genannt. Den Namen der Frau habe ich nicht mitbekommen. Sie glauben doch nicht, daß das eine Verschwörung war,

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