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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Geländes der Universität von Kalifornien in Los Angeles, der UCLA. Jenseits der Mauer erstarben das Pandämonium und das helle Licht; an seine Stelle traten die Schatten der Bäume zwischen den vereinzelten Straßenlampen und eine so tiefe Stille, daß es geradezu erschreckte. Bis auf den einen oder anderen Wagen, der an uns vorbeifuhr, waren wir allein.
    Als wir hundert Meter weit durch das Universitätsgelände gegangen waren, brachte ich Beverly dazu, daß sie stehenblieb. Wir setzten uns auf eine Bank neben einer Bushaltestelle. Die Zubringerbusse hatten den Betrieb über Nacht eingestellt, die Beleuchtung der Haltestellen war ausgeschaltet. Beverly wandte sich ab und begrub das Gesicht in den Händen.
    »Bev…«
    »Ich muß den Verstand verloren haben«, murmelte sie. »Einfach so davonzulaufen.«
    Ich versuchte, meinen Arm um ihre Schulter zu legen, aber sie wich zurück.
    »Nein, macht nichts. Es geht mir gut. Ich möchte es jetzt loswerden, ein für allemal.«
    Sie atmete tief ein und bereitete sich auf ein schmerzliches Geständnis vor.
    »Augie und ich, wir - wir sind miteinander gegangen. Es hat angefangen, kurz nachdem er zu uns ins Western Pediatric gekommen war. Er war für mich so ganz anders als die Männer, die ich bis dahin kennengelernt hatte. So gefühlvoll, und auch irgendwie abenteuerlich. Ich dachte, es sei eine ernsthafte Sache. Ja, ich habe mir den Luxus einer echten, romantischen Affäre gegönnt, und es ist schiefgelaufen. Als Sie vorhin davon gesprochen haben, daß er mit den Angehörigen der Patienten schläft, ist das alles zurückgekommen bei mir. All der Dreck. Ich war blöd, Alex, denn er hat mir nie irgend etwas versprochen und so, hat mich auch nie belogen und so getan, als ob er anders wäre, als er ist. Nein, das ist alles von mir ausgegangen. Ich habe ihn als eine Art edlen Ritter gesehen. Vielleicht sind wir uns gerade deshalb in einem Augenblick begegnet, wo ich bereit war, alles zu glauben - ich weiß es nicht. Wir haben ungefähr sechs Monate lang regelmäßig miteinander geschlafen. Aber zwischendurch hat er es mit jeder Frau getrieben, die dazu bereit war, mit Schwestern, Ärztinnen und mit Müttern von Patienten. Ich kann mir vorstellen, was Sie denken. Er ist ein unmoralischer Schweinehund. Und ich weiß nicht, ob ich Sie davon überzeugen kann, aber er ist kein schlechter Mensch, höchstens ein bißchen schwach. Er war immer liebevoll und zärtlich. Und ehrlich. Als ich ihm die Geschichten vorwarf, die ich über ihn gehört hätte, sagte er:
    Klar, ich empfange viel Freude und versuche, mich zu revanchieren. Und er meinte, er wüßte nicht, was daran schlecht sein wollte, bei all den Schmerzen und dem Leid, das wir tagtäglich erleben. Er war so überzeugend, daß ich ihn selbst dann nicht aufgegeben habe. Ich brauchte sehr lange, um wieder vernünftig zu werden. Und ich dachte schon, ich sei darüber weggekommen, als ich ihn vor einer Woche mit Nona gesehen habe. Ich hatte eine Verabredung mit einem Bekannten - eine unbedeutende Besprechung mit einem unbedeutenden Typ -, in einem kleinen mexikanischen Restaurant nicht weit vom Krankenhaus. Die zwei saßen in der hintersten Ecke, in einer schummerigen kleinen Nische; ich konnte sie kaum sehen. Und sie sind geradezu übereinander hergefallen, haben Margaritas getrunken und gelacht, und ihre Zungen lieferten sich ein Duell, du meine Güte! Wie zwei Reptile.«
    Sie hielt inne, holte tief Luft.
    »Es hat sehr weh getan, Alex. Nona war so selbstsicher, so schön. Die Eifersucht ist mir ins Herz gefahren wie ein Messer. Nie zuvor habe ich solche Eifersucht gefühlt - ich blutete buchstäblich. Ihre Augen waren furchtbar, ganz orange vom Licht der Kerzen. Zwei Vampire. Und da saß ich, mit einem faden Trottel, und sehnte mich danach, daß der Abend zu Ende war, während die zwei fast noch am Tisch miteinander vögelten. Es war wirklich obszön.«
    Ihre Schultern zuckten. Sie zitterte und schlang sich die Arme um den Körper.
    »Jetzt begreifen Sie, warum ich niemanden etwas davon erzählen wollte. Man würde mich als die verlassene Geliebte ansehen, die ihn aus Eifersucht verrät. Das ist eine würdelose Rolle, und ich habe genügend Würdeloses erlebt, daß es für mein Leben reicht.«
    Ihre Augen flehten mich an, ich sollte versuchen, sie zu verstehen.
    »Jeder beißt sich ein Stück von mir ab, und allmählich werde ich immer kleiner, Alex. Ich will vergessen: ihn, sie, alles andere. Aber ich kann es nicht. Wegen dem

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