Flüchtig!
war niemand da, der sich um die Wagen der Gäste kümmerte, also stellte ich den Seville zwischen einen Lamborghini und einen Maserati, so daß er aussah wie eine reiche Witwe zwischen zwei Gigolos.
Der Nachtportier war ein in Gedanken versunkener Schwede, der mich nicht erstaunt anschaute, als ich im voraus und in bar bezahlte und mich als Carl Jung ins Register eintragen ließ. Ein Blick sagte mir dann allerdings, daß er den Namen Karl Young geschrieben hatte.
Ein ständig gähnender Page brachte mich zu einem Bungalow vor einem Swimmingpool, der wie ein Meeraquarium beleuchtet war. Das Zimmer war bescheiden, aber komfortabel möbliert, mit einem großen, weichen Bett und schweren, dunklen Möbeln aus den vierziger Jahren. Ich glitt zwischen die kühlen Laken und erinnerte mich an meinen letzten Aufenthalt hier: im vergangenen Juli, zu Robins achtundzwanzigstem Geburtstag. Wir hatten ein Mozartkonzert der Philharmoniker im Music Center gehört und waren danach zu einem späten Souper ins Bel-Air gefahren.
Der Speisesaal war dunkel und still gewesen, unsere Nische ruhig und direkt neben einem großen Fenster. Zwischen den Austern und dem Kalbfleisch war eine stattliche alte Dame in einem eleganten Abendkleid wie eine Königin über den Palmenhof geschritten.
»Alex«, hatte Robin geflüstert, »schau - nein, das kann nicht sein…« Aber sie war es. Bette Davis. Wir hätten es nicht besser treffen können.
Die Gedanken an jenen wunderbaren Abend drängten die Häßlichkeit dieses Abends weitgehend zurück.
Ich schlief bis sieben, rief dann den Zimmerservice an und bestellte frische Himbeeren, ein Kräuteromelette, Kleiebrötchen und Kaffee. Das Frühstück wurde auf Porzellan und Silber serviert und war köstlich. Ich verscheuchte die Bilder des Todes und aß herzhaft. Und bald danach fühlte ich mich wieder einigermaßen menschlich.
Ich schlief noch etwas, wachte dann auf und rief um zwei Uhr die Dienststelle Los Angeles West an. Milo war nach Washington geflogen, so daß ich mich mit Del Hardy verbinden ließ. Er berichtete, daß Conley als Verdächtiger ausschied. Während Moody abgeknallt wurde, war er bei Nachtaufnahmen für eine neue Fernsehserie in Saugus gewesen. Ich nahm die Meldung mit Gleichmut auf, denn ich hatte ihn mir nie als berechnenden Killer vorstellen können. Außerdem war ich inzwischen davon überzeugt, daß ich selbst das Opfer des Heckenschützen hatte sein sollen. Daß ich die Rolle akzeptierte, förderte nicht gerade meine Gemütsruhe, aber so war ich wenigstens auf der Hut.
Um vier ging ich hinaus und schwamm eine Zeitlang im Pool, mehr zur körperlichen Ertüchtigung als zum Vergnügen, dann kehrte ich in mein Zimmer zurück und ließ mir die Abendzeitungen und eine Flasche Bier bringen. Die Erkältung schien nachgelassen zu haben. Ich setzte mich zum Lesen in einen bequemen Sessel.
Der Bericht über den Tod von Valcroix war ein Spaltenfüller auf Seite achtundzwanzig; er trug die Überschrift:
DOKTOR BEI VERKEHRSUNFALL GETÖTET.
Ich erfuhr daraus den Typ, wenn auch nicht das Fabrikat des Wagens, den der Kanadier gefahren hatte - ›ein ausländischer Kompaktwagen‹ -, bevor er in der Nähe des Hafens von Wilmington gegen einen Brückenpfeiler gekracht war. Valcroix war sofort tot gewesen, und die Polizei hatte seine Angehörigen in Montreal verständigt…
Wilmington liegt auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Diego, wenn man die Küstenstraße nimmt: eine häßliche Gegend mit endlosen Lagerhäusern und Werften. Ich fragte mich, was er dort zu tun hatte und in welche Richtung er vor dem Unfall gefahren war. Er hatte schon früher einmal La Vista besucht. Kam er von dort zurück, als er gegen den Pfeiler krachte?
Dann fiel mir ein, wie er sich bei Beverly gerühmt hatte, noch einen Trumpf im Ärmel zu haben, was die Sache mit den Swopes betraf. Daraus ergab sich eine Reihe weiterer Fragen. War der Unfall wirklich ein Unfall? Das Ergebnis seiner vom Rauschgift betäubten Reflexe? Oder hatte er versucht, diesen Trumpf auszuspielen, und dabei sein Leben aufs Spiel gesetzt? Und was war das für ein Geheimnis, mit dem er sich aus der Affäre ziehen wollte? War es dazu angetan, den Doppelmord an den Swopes zu lösen? Oder die Kinder zu finden?
Ich dachte darüber nach, bis ich Kopfschmerzen bekam, las den Artikel immer und immer wieder, saß dabei gespannt auf der Kante des Sessels und tastete im Leeren wie ein Blinder im Labyrinth.
Erst als mir klar wurde, was fehlte,
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