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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mich mit seiner schlichten Würde und seinem unabhängigen Geist beeindruckt. Er war zu einem totalen Schlamassel gerufen worden und hatte es innerhalb von Minuten bereinigt. Die Vertretung der Interessen eines Unruhestifters von außerhalb hätte einen weniger resoluten Mann leicht einschüchtern können. Maimon dagegen hatte seinen Auftrag ernst genommen und ihn verdammt gut ausgeführt. Er verfügte über Rückgrat und einen scharfen Verstand.
    Und - noch wichtiger - er war so ziemlich meine letzte Hoffnung. Ich ließ mir von der Auskunft seine Nummer geben und rief ihn an.
    Er meldete sich mit »Seltenes Obst und Sämereien« und mit der ruhigen Stimme, an die ich mich gut erinnerte.
    »Mr. Maimon, hier Alex Delaware. Wir haben uns auf der Station des Sheriffs kennengelernt.«
    »Guten Tag, Doktor Delaware. Wie geht es Doktor Melendez-Lynch?«
    »Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Er war ziemlich deprimiert.«
    »Ja, wirklich eine tragische Angelegenheit.«
    »Und deshalb rufe ich Sie an.«
    »Ach?«
    Ich berichtete ihm von Valcroix’ Tod, dem Anschlag auf mein Leben, von meiner Überzeugung, daß die Situation nur geklärt werden konnte, wenn man einen Blick auf die Geschichte der Swopes warf, und ich endete damit, daß ich ihn unumwunden um Hilfe bat.
    Danach herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, und ich wußte, daß er dabei war, das eine gegen das andere abzuwägen, wie damals, als Houten ihm den Fall vorgetragen hatte. Ich hörte beinahe, wie sich die Rädchen drehten.
    »Sie haben ein großes persönliches Interesse an dieser Sache«, sagte er schließlich.
    »Das ist sicher ein Teil davon. Aber es geht mir um mehr. Woody Swopes Krankheit ist heilbar. Er braucht nicht zu sterben. Wenn er noch lebt, möchte ich, daß man ihn findet und heilt.«
    Wieder Stille, wieder verstärkte Gehirntätigkeit.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich etwas weiß, was Ihnen helfen könnte.«
    »Ich auch nicht. Aber es ist einen Versuch wert, glaube ich.«
    »Sehr gut.«
    Ich danke ihm überschwenglich. Wir kamen überein, daß eine Besprechung in La Vista nicht in Frage kam, und zwar in beiderseitigem Interesse.
    »In Oceanside gibt es ein Restaurant, wo ich öfters esse«, sagte er. »Es heißt ›Anita’s Café‹. Ich bin Vegetarier, und dort servieren sie fleischlose Küche. Können wir uns heute abend um neun dort treffen?«
    Es war zwanzig vor sechs. Selbst bei stärkstem Verkehr mußte ich es spielend schaffen.
    »Ich bin da.«
    »Dann lassen Sie mich beschreiben, wie Sie das Lokal finden.«
    Die Anweisungen, die er mir gab, waren so, wie ich es von ihm erwartet hatte: einfach, klar und präzise.
    Ich bezahlte zwei weitere Nächte im Bel-Air, kehrte in mein Zimmer zurück und rief Mal Worthy an. Er war nicht in seiner Kanzlei, aber seine Sekretärin teilte mir seine Privatnummer mit.
    Er nahm den Hörer nach dem ersten Rufzeichen ab. Seine Stimme klang müde und erschöpft.
    »Alex, ich versuche schon den ganzen Tag, dich zu erreichen.«
    »Ich habe mich zurückgezogen.«
    »Versteckt? Warum? Er ist doch tot.«
    »Es ist eine lange Geschichte. Hör zu, Mal, ich rufe aus mehreren Gründen an. Erstens: Wie haben die Kinder die Nachricht aufgenommen?«
    »Deshalb wollte ich mit dir reden. Um mich von dir beraten zu lassen.
    Mein Gott, was für eine Sauerei. Darlene wollte es ihnen erst gar nicht sagen, aber ich machte ihr klar, daß sie keine andere Wahl hat. Danach habe ich sie wieder gesprochen, und sie meinte, April hätte geweint, viele Fragen gestellt und sich an ihren Rock geklammert. Ricky dagegen habe kein Wort gesagt. Der Junge sei in sein Zimmer gegangen und habe sich eingeschlossen. Sie stellte mir viele Fragen, und ich habe sie nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet, aber auf diesem Gebiet bin ich nun mal kein Experte. Sind solche Reaktionen denn normal?«
    »Es geht nicht darum, ob sie normal oder anomal sind. Diese Kinder haben mehr traumatische Erlebnisse zu verarbeiten als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Nachdem ich sie in deinem Büro begutachtet habe, fühlte ich, daß sie Hilfe brauchen, und habe das auch der Mutter gesagt. Jetzt ist es eine unumgängliche Notwendigkeit. Sieh zu, daß sie sie bekommen. Und behalte Ricky im Auge. Der Junge identifiziert sich mit seinem Vater. Ich würde sagen, ein Selbstmord als Nachahmungstat ist keineswegs auszuschließen. Ebensowenig wie Brandstiftung. Wenn Schußwaffen im Haus sind, soll sie sie fortschaffen. Sag Darlene, sie muß ihn

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