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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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Narben. Nur ihr Haar und ihre Kleidung waren nach wie vor rot-weiß gesprenkelt. Ungläubig starrte Adeen sie an. Hatte er das getan – oder war es der Vogel gewesen? Er hatte doch nicht wirklich einen Menschen von der Schwelle des Todes zurück ins Leben gemalt?
    Aber Talanna war da, ganz lebendig, sie blinzelte aus trüben Augen und streckte eine Hand aus, um sein Gesicht zu berühren.
    Er erstickte sie gleich noch ein wenig mehr und küsste sie.

22
    Am Feuer
    D as Chaos hatte Rashija erneut im Griff. Die Soldaten, die den Anschlag überlebt hatten, taten ihr Bestes, um Aufruhr zu verhindern, doch ihre Aussichten standen schlecht. Auch die Königin von Tama, die bisher sowohl die meisten militärischen Aktionen koordiniert als auch die Verhandlungen geleitet hatte, war bei Charrals Attentat schwer verletzt worden. Ihre Leute hatten sie in eine Decke gewickelt und in eine Sänfte verfrachtet. Gewiss wäre sie und auch alle anderen im weiten Umkreis zu farblosem Staub versengt worden, hätte Talanna Charral nicht zurückgerissen, ehe er den Zauber vollenden konnte. Wenn es Adeen auch mit Erleichterung erfüllte, dass die Königin noch lebte, begriff er doch, dass die Verhandlungen gescheitert waren. Die meisten Mitglieder des Rates waren tot. Die Überlebenden, darunter Talannas Vater, wurden von den Soldaten weggeschafft, um sie vor der Wut der Menge zu schützen. Menschen drängten herbei, um den Leichnam des Herrschers zu sehen, und gerieten außer sich, überwältigt von ihrer hilflosen Wut, als sie erkannten, dass dieser Leichnam für immer fort war. Adeen tat sein Bestes, um den Verletzten zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen, aber er konnte nur wenig ausrichten. Es gelang ihm nicht einmal, sich auf das zu konzentrieren, was er tat. Er stolperte auf zitternden Beinen umher wie unter der Sonne einer fremden Welt und vergewisserte sich wieder und wieder, dass Talanna noch – oder wieder? – am Leben war. Für seine Empfindungen hatte er keine Worte. Ihm war, als sei ein Teil von ihm in der farblosen Welt zurückgeblieben, und als gehöre er nicht vollständig hierher, an diesen Ort, der beängstigend wirklich war. Er war noch erfüllt von den Farben, die er gesehen hatte, glaubte, den kratzigen warmen Wind im Gesicht zu spüren.
    Seine Magie hatte Talanna gerettet, und er dankte allen Mächten dafür. Das Wissen darum und die Erinnerung an die Farbe, die in eine farblose Welt eingebrochen war, erfüllten ihn mit einem schwindelerregenden Gefühl von Stärke und Begeisterung. Aber zugleich ängstigte es ihn, auf eine andere Art, als es die zerstörerische Wut des Aschevogels jemals getan hatte. Er kannte den Grund für diese Wut, aber weshalb er eine solche Macht besitzen sollte, das wusste er nicht. Und er fand keine Antwort auf die Frage.
    Der Himmel verfärbte sich von Blau zu Grauviolett. Erneut stiegen Rauchwolken und Funken aus der Stadt auf. Jetzt, wo die Königin fort und die Verhandlungen unterbrochen waren, gab es nichts mehr, was die Bewohner daran hinderte, Chaos zu verbreiten. Oder waren es gar nicht die Rashijaner, die ihre Heimat zerstörten? Adeen dachte an das, was er auf dem Weg zum Verhandlungsplatz erlebt hatte, an den kleinen Jungen, den Kriegsgefangenen. Nicht nur die Menschen aus Rashija wollten Rache für das, was ihnen über so lange Zeit hinweg angetan worden war. Die Angreifer hatten ebenso lange unter der Besatzung von Rashija gelitten.
    Als sich die Luft mehr und mehr voll Rauch sog, zogen sich die Soldaten zurück. Adeen, Talanna und die anderen Überlebenden schlossen sich ihnen an und hielten sich während des Weges im Schutz der Gruppe. Nur langsam, ständig behindert von den Kämpfen in den Straßen, erreichten sie schließlich den Rand der Stadt und das behelfsmäßige Rebellenlager.
    Die Winternacht war bösartig kalt, und Flammen zeichneten Drachen an den Himmel. Adeen wickelte sich in eine Decke und setzte sich einen Moment in der Nähe eines Feuers hin, um sich aufzuwärmen. Nach einer Weile gesellte Talanna sich schweigend zu ihm.
    »Hast du etwas von deinem Vater gehört?«, fragte er sie.
    »Ich war bei ihm. Er ist schwer verletzt, aber der Heiler sagt, er wird überleben.« Sie zögerte. »Kuama und ich wollten mit ihm sprechen, aber er hat den Kopf weggedreht und nichts geantwortet. Er ist so ein verdammter Sturkopf! Ich schäme mich für ihn, und wenn er nicht mein Vater wäre, ich würde …« Sie verstummte und schüttelte schwach den Kopf. »Es wird

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