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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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ohne Ärger darüber, dass sie sich nicht aus eigener Kraft hatte helfen können. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt etwas tue, wenn die Magie mich packt«, sagte Adeen nachdenklich, »es kommt mir eher so vor, als wäre dieser Vogel auf einmal da und würde an meiner Stelle tun, was nötig ist. Aber bisher hat er nur anderen Schaden zugefügt. Es ist das erste Mal, dass er … es nicht getan hat«, schloss er ein wenig hilflos.
    Die anderen schwiegen einen Moment, dann sagte Talanna: »Ich erinnere mich daran, wie wir uns in dieser Museumsruine unterhalten haben, damals in Rashija. Du hast einen Vogel gezeichnet, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. So wie du ihn mit geschlossenen Augen vor dir gesehen hast, nicht wahr? Damals hatte ich Angst, du könntest mit diesem Bild Unheil anrichten. Ich hätte dir mehr vertrauen sollen. Weißt du, ich verstehe nichts von solchen Dingen. Aber du hast diese Gabe. Du kannst etwas erschaffen. Mit Farbe oder nur in Gedanken. Vielleicht tust du es einfach, ob du willst oder nicht. Ich glaube, der Vogel und deine Bilder, beides gehört zusammen.«
    Adeen erwiderte ihren Blick. Ihre einfachen Worte klangen richtig, halfen ihm, seine wirbelnden Gedanken zur Ruhe zu bringen. In diesem Augenblick hatte er den Eindruck, dass sie ihn sehr gut kannte, so unterschiedlich sie auch sein mochten. Trotzdem schien sie ihm Unvereinbares zu vermischen. »Ich kann Vögel zeichnen, mag sein«, sagte er, »aber ich kann doch niemanden vom Tod zurückholen.«
    Diesmal war es Schwärmer, der sprach. »Wo Magie die Welt aufspaltet«, sagte er gedämpft, »ist der Unterschied nicht groß. Schriftmagie lässt die Realität zerfließen und formt sie neu. Unsere Gedanken haben Flügel, und unsere Erinnerungen haben Farben. Du, Adeen, lässt sie lebendig werden. Der Herrscher hat Kunst in seinem Reich verboten, weil er ihre Macht fürchtete, und er wusste sicher, warum. Was er den Menschen genommen hat, kannst du heilen. So hast du Talanna geheilt. Schau doch nicht so erschrocken – du kannst glücklich sein, dass dich die Mächte so gesegnet haben.«
    »Das bin ich.« Adeen fühlte sich überwältigt und benommen. »Aber ich … du siehst zu viel in mir. Ich bin ein Erdmagier, es war vielleicht nur …«
    »Du bist ein Mischling«, sagte Talanna, »du hast die Erdmagie deines Vaters und die Himmelsmagie deiner Mutter. Und diese besondere Gabe. Ich fürchte, neben dir sehe ich etwas armselig aus.« Sie drückte seine Schulter. »Wenn es stimmt, was Schwärmer sagt, kannst du noch vielen Menschen helfen, nicht nur mir.«
    »Aber ich weiß nicht, was ich tun soll.« Was Talanna und Schwärmer gesagt hatten, wühlte ihn auf. »Ich … entschuldigt mich. Ich bin gleich zurück.«
    »Lass ihn«, sagte Schwärmer zu Talanna, die Adeen zurückhalten wollte.
    Er verließ den warmen Feuerkreis und stolperte in die Nacht hinaus. Wirklich allein konnte er nur außerhalb des Lagers sein, denn überall begegnete er Soldaten. Die frostige Winterluft schmeckte nach Metall und Rauch. Adeens Gedanken flatterten wie Vögel. Er dachte an die Zeit, als er noch in der Akademie gearbeitet hatte, an Charrals Feindschaft, an Rasmi. Schon sein Ziehvater hatte ihm immer gesagt, dass er etwas Besonderes war. Doch es fiel ihm schwer, daran zu glauben, dass ausgerechnet er so viel Macht besitzen sollte. Es fühlte sich nicht richtig an, und er wollte die Verantwortung nicht, die damit einherging. Er wollte nur frei sein, um die Bilder zu malen, die in seinem Kopf umherschwirrten, und mit Talanna zusammen sein, nichts weiter.
    Aber ich wäre ein egoistischer Kindskopf, wenn ich diese Macht habe und versuchen würde, mich der Verantwortung zu entziehen,
dachte er bekümmert.
Wenn ich anderen helfen kann, muss ich tun, was nötig ist, auch wenn das heißt, dass ich nicht so leben kann, wie ich es immer wollte.
    Am liebsten wäre er am Rand des Lagers stehen geblieben, wo er die letzten trockenen Winterblätter an den Bäumen rauschen hörte und sich an die Farben des Waldes erinnern konnte, bis es hell wurde. Wenigstens diese kleine Freiheit und Atempause hätte er gern noch erlebt. Aber die Kälte zwang ihn zur Rückkehr ans Feuer. Dort setzte er sich schweigend neben die anderen. Talanna legte ihm den Arm um die Schultern, und er rückte dicht an sie heran.
    Das Gesprächsthema hatte sich inzwischen verändert. »Eines ist wohl unvermeidlich«, sagte Schwärmer gerade, »Rashija muss wieder in den Himmel aufsteigen, zumindest

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