Fluegel der Dunkelheit
Vampir?«
Sergiu strich sich vorsichtig über die Stirn. »Weißt du Victor,
dieser Gedanke klingt einleuchtend.« Er setzte sich besser wieder
hin, sein Kreislauf schien noch nicht sonderlich stabil zu sein.
»Umso mehr ich darüber nachdenke, desto logischer erscheint es
mir.«
Victor schüttelte
grinsend den Kopf. »Ich kenne keinen einzigen Vampir, der sich
Fledermäuse hält, das ist echt was Ausgefallenes!«
Während Sergiu fest
schlief, nutzte Victor die Zeit an dessen Computer, um Ionut Mihai
Constantinescu eine E-Mail zu schreiben. In regelmäßigen Abständen
meldete sich Victor bei seinem rumänischen Freund, um ihn an den
Fortschritten teilhaben zu lassen. In einer kurzen Zusammenfassung
beschrieb Victor die Vorfälle der letzten Tage. Er war mit Ionut
schon lange befreundet, kannte den Bruder Nicolae Luca durch
gemeinsame Ausflüge, Familienfeiern und andere Feste. Auch wenn
Ionut klar war, dass er Nicolae niemals wieder sehen würde, so nagte
doch diese Ungewissheit an ihm, was wirklich geschehen war. Diese
vielen Fragen nach dem ›Warum‹, nach dem ›Wieso‹, ließen
Ionut nicht zur Ruhe kommen. Ein Grund, weshalb Victor in dieser
Angelegenheit nach Deutschland gereist war.
Ionut schrieb nach
einer Weile zurück, Victor möge auf Sergiu aufpassen und sehr
vorsichtig sein.
Als es an der Tür
klingelte, warf Victor einen Blick auf die Uhr, 5:37 Uhr. Sergiu rieb
sich gähnend das Gesicht. Also die Post war das bestimmt noch nicht.
Victor spähte durch den Türspion an der Wohnungstür, wo jedoch
niemand zu sehen war.
»Soll ich unten
öffnen?«
Sergiu setzte sich
auf, »Maier hat vielleicht Neuigkeiten« Victor drückte den Öffner
für die Eingangstür. »Dann verkrümele ich mich mal besser. Er hat
vorhin mich schon so komisch gemustert.« Mit einem Kopfnicken
stimmte Sergiu zu. Langsam erhob er sich, um selbst zur Wohnungstür
zu gehen. Er wankte bedrohlich, als würde sein Kreislauf noch
mächtige Schwierigkeiten haben. Ja, er sollte auf Sergiu ein
wachsames Auge werfen. Victor verzog sich ins Schlafzimmer.
Sergiu erkannte
durch den Türspion zwei Polizisten. Augenblicklich war er wach,
öffnete, ohne zu zögern.
»Herr Bucuresti?«,
fragte eine junge Beamtin. Hinter ihr stand ein älterer Polizist,
der den Eindruck ihres Ausbilders erweckte. Sergiu nickte. Ob die
Beamten ihn aufsuchten, weil er heimlich das Krankenhaus verlassen
hatte? Seit wann gehörte das zu einer Straftat?
»Entschuldigen Sie
die frühe Störung, dürfen wir einen Moment reinkommen?« Sie zog
ihren Ausweis hervor, von dem sich Sergiu überzeugte, dass er echt
war. Er trat zur Seite, ließ die beiden Beamten hinein. Höflich,
wie er war, bot er ihnen den Platz auf der Couch an, auf der er eben
noch geschlafen hatte. Die Polizistin sah kurz zu ihrem Kollegen, der
ihr zunickte.
»Heute Nacht ist in
Ihrer Kanzlei ein Feuer ausgebrochen.«
»Was?« Das konnte
nur ein übler Scherz sein. Sergiu fühlte sich, als habe er ein
Brett über den Schädel gezogen bekommen. Seine Knie wurden weich,
weshalb er sich sofort auf den freien Sessel niederließ. Mit aller
Macht versuchte hier jemand, ihm Angst einzujagen, was diesem jemand
auch langsam gelang.
»Ein Feuer? Wie
konnte das passieren?« Vielleicht gehörte dieses Gespräch zu einem
Alptraum, aus dem er gleich erwachen würde.
»Das können wir
zurzeit noch nicht sagen. Der Wachschutz informierte gegen 2:05 Uhr
die Feuerwehr. Ihre Kanzlei ist vollkommen ausgebrannt.«
Sergiu hielt die
Luft an. Sein Hals verengte sich. Die Akten! Alles war vernichtet. Wo
sollte er jetzt arbeiten und vor allem wie?
»Wer könnte sich
heute Nacht dort aufgehalten haben?«, fragte die Beamtin.
»Lediglich meine
Sekretärin besitzt einen Schlüssel zur Kanzlei, ach und die
Reinigungsfirma. Aber die kommen meist erst gegen fünf.«
»Haben Sie die
Adresse Ihrer Sekretärin?«
»Ja, natürlich.«
Ach nein! Sein Adressbuch lag im Auto. Sein Auto war ein Haufen
Schrott. »Ähm, nein. Ich hatte kürzlich einen Autounfall, dabei
ist so einiges abhandengekommen.«
Nun schaltete sich
der ältere Polizist ein. »In Ihrer Kanzlei fand man einen Toten.
Aufgrund der Hitzeentwicklung wird eine Identifizierung noch etwas
Zeit in Anspruch nehmen. Möchten Sie sich dazu äußern?«
Sergiu spürte
seinen Magen, der sich umzustülpen drohte. Er schluckte. Jetzt
versuchte man ihm, noch einen Mord anzuhängen. Erst der Unfall, dann
seine Kanzlei für die er jahrelang geschuftet hatte und ein Toter
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