Fluegel der Dunkelheit
anfreunden.
Bereits in diesem Moment kamen ihm bei dieser Überlegung hunderte
von grusligen Erinnerungen, die sich alle gleichzeitig vor seinem
Auge abspielten.
Schluss!
»Später«, hörte
er sich flüstern. Liana sah ihm direkt in die Augen. Es wäre ein
Leichtes sie zu beeinflussen, aber er wollte sie genauso, wie sie war
und nicht geistig unter seiner Führung. »Ich werde zu dir kommen.«
Außerdem sollte sich Liana bei ihm sicher fühlen, keine Angst vor
psychischer Manipulation haben.
»Danke.« Sie
flüsterte. »Dass du mich nicht zu hypnotisieren versuchst.«
Woher wusste sie das
nun schon wieder? Vor dieser Frau blieb nichts verborgen.
Andererseits war es ja bekannt, dass Vampire Menschen hypnotisieren
konnten.
»Ich muss jetzt
gehen.« Er zog sie in eine letzte Umarmung, küsste sie zum
Abschied, bis beide heftig atmeten. Mit einem Ruck löste sich Traian
von ihr und verschwand im Wald.
In der nächsten
Nacht lockte Traian Günter Hartung auf die gleiche Weise in die
Großfleischerei, wie es ihm mit Jurischenkow einen Tag zuvor
gelungen war. Durch Liana war er gewarnt und wollte der Polizei keine
überflüssigen Spuren hinterlassen. Die asphaltierte Straße
hinterließ keinerlei Reifenspuren, die er hätte verwischen müssen.
Während Hartung in der dritten Kühlkammer ebenfalls an die
Wasserrohre gefesselt war, brachte Traian das Auto zurück auf den
Krankenhausparkplatz, um auch hier den Eindruck zu erwecken, der Arzt
habe das Gelände nicht verlassen. Als er zu seinen Gefangenen
zurückkehrte, drang ein dumpfes Kreischen durch die Tür des ersten
Kühlraumes.
Kathleen hatte
offensichtlich wieder Kraft gefunden. Traian ging ihre schrille
Stimme auf die Nerven. Als er die Tür öffnete, verstummte sie
zunächst, dann begann zu weinen.
»Lass mich gehen!«
Sie holte Luft, »bitte!«
Er stellte sich vor
sie auf, »Hast du eine Ahnung, wie oft ich diese Worte bei euch
wiederholt habe?«
Kathleen verlor
auffallend ihre Gesichtsfarbe. »Ich – weiß nicht – es tut mir
leid.«
»Nein, hast du
nicht! Du warst von allen am seltensten dabei.« Traian fiel auf, wie
sehr die Anwesenheit seiner Opfer seine Vergangenheit aufleben ließ.
»Mit diesem Atemzug beginnend, Kathleen Hartung, werden zu jedem
Vollmond heftige Fieberschübe mit massiven Gelenkschmerzen deinen
Tag bestimmen. Diese Beschwerden werden zum Neumond langsam
abklingen.« Zur Sicherheit wiederholte er seine hypnotischen Worte
dreimal. Mit diesem Schicksal sollte seine Peinigerin nicht mehr in
der Lage sein, ein normales Leben zu führen. Anschließend ließ
Traian sie gehen.
Nun konnte er sich
den beiden anderen widmen, ohne diese akustische Störung. Hartung
und Jurischenkow mussten abwechselnd für die Mahlzeit der
Fledermäuse vor allem für Traian selbst ihr Blut lassen.
Anfang und Ende
L iana ließ
sich auf ihre Couch fallen. Ein anstrengender Tag lag hinter ihr.
Über zwölf Stunden stand sie im OP. Erschöpft schloss sie die
Augen, dachte dabei an Traian. Gestern Nacht konnte sie nicht viel
bei ihm erreichen. Er hatte eine betörende Wirkung auf sie, ohne sie
zu hypnotisieren. Ihre Erinnerungen waren derart intensiv, dass sie
seine zärtlichen Finger auf ihrer Haut spürte. Victor hatte recht,
es war schwer, an ihn heranzukommen. Es glich einem Seiltanz, mit ihm
zu sprechen, man musste jeden Moment damit rechnen, dass eine Aussage
ihn herunterwarf.
Liana zuckte
zusammen. Das Klingeln ihres Telefons holte sie aus ihren Gedanken.
Zu müde fühlte sie sich, um jetzt aufzustehen. Nach dem dritten
Klingeln schaltete sich ihr Anrufbeantworter ein.
»Hallo, Liana ...
Ich … vielleicht könntest du …«
Liana schoss in die
Höhe und eilte zum Telefon. »Traian warte!«
Für den Moment
herrschte Stille. »Du bist da?« Er klang überrascht.
»Ich bin so froh,
dass du anrufst. Ich muss ständig an dich denken.« Vor ihrem
geistigen Auge erschien sein attraktives Gesicht. »Wann können wir
uns treffen?« Es blieb verdächtig ruhig in der Leitung. »Traian?«
Sie hörte ein sachtes Rascheln.
»Das ... Angebot
von gestern … ich hab es mir überlegt.«
Seine Worte hörten
sich an, als sei er verstört, so kannte sie ihn gar nicht. Sie
grübelte, was vorgefallen sein konnte. Hatte er wieder einen
Blackout, war er womöglich verschreckt? Vermutlich war er bereit,
sich untersuchen zu lassen. Sie durfte ihn nicht drängen, musste
jetzt geschickt antworten. »Das klingt gut. Sag, was ich für dich
tun kann?« Erneut blieb Traian
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