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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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die Tür auf, und Bridget kam hereingestürmt. »Was hast du ihm angetan? Wo ist John?«

    »Ich hoffe, er ist in der Hölle, um bis zum Jüngsten Tag darin zu schmoren!«
    Juna hatte keine Angst mehr vor den Wutausbrüchen ihrer Stiefmutter, und deren vermeintliche Herzanfälle beunruhigten sie längst nicht mehr. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf die Beschimpfungen, die zweifellos kommen würden.
    Ihr Großvater hatte den Anblick ihrer Stiefmutter, bevor sie zu schreien begann, früher einmal mit dem Bild eines Maikäfers verglichen, der gehörig pumpte, bevor er sich endlich in die Lüfte erhob. Die Erinnerung daran ließ Juna grinsen.
    »Du unverschämtes …« Bridget verstummte und starrte zu dem verwüsteten Kamin hinüber. Sie stieß einen schrillen Schrei aus. »Du Feuerteufel!« Dann lief sie hinüber. »Das war Meißener Porzellan!« Aufgeregt sammelte sie die Scherben zusammen.
    »Ich … ich habe sie geliebt.« Ihr Vater war kaum zu verstehen, so leise sprach er.
    Juna ignorierte Bridgets Schimpftiraden und konzentrierte sich ganz auf ihren Vater. Als er nicht weitersprach, hob sie fragend die Augenbrauen.
    »Versteh doch, ich kann dir nichts sagen.« Tränen schimmerten in seinen Augen.
    »Bitte!«
    »Was flüstert ihr da?« Mit den Scherben in der Hand kam Bridget näher. »Richard, ich rede mit dir!«
    Finn hatte sich von den Ereignissen bisher wenig beeindruckt gezeigt und am Fenster gesessen. Jetzt stand er auf und knurrte.
    Junas Stiefmutter sah erschrocken in seine Richtung. Sie
fürchtete sich vor Hunden. Sehr zum Bedauern ihres Ehemannes, der ein passionierter Jäger war und jede Gelegenheit nutzte, um zur Vogeljagd aufs Land zu fahren. Fluchtjäger, hatte ihn der Großvater genannt.
    »Schaff diesen Köter raus. Richard, so unternimm doch etwas.«
    »Bitte geh!«, raunte der Vater Juna zu und eilte seiner Frau zuhilfe.
    Sie hatte ihren Vater niemals wirklich verstanden, aber er tat ihr leid. Juna gönnte der Stiefmutter keinen weiteren Blick. Mit Finn an ihrer Seite verließ sie den Raum.
    In der Halle war niemand zu sehen. Sie konnte es den Hausangestellten nicht verdenken, dass sie sich aus der Schusslinie hielten, wenn die Lady einen ihrer Anfälle bekam.
     
    »Hast du gehört? Köter hat sie gesagt.« Junas Finger gruben sich in das weiche Fell hinter Finns halbem Ohr. »Und stell dir mal vor, er hat meiner wahren Mutter versprochen, mir nichts über sie zu erzählen. Das ist so krank!«
    Finn gab ein tiefes Brummen von sich, das nichts mit Feindseligkeit, aber ganz viel mit Wohlbefinden zu tun hatte.
    »Vielleicht haben sie sich in den Highlands getroffen.«
    Als Kind hatte sie sich diese Szene immer wieder ausgemalt. Zwei Menschen begegneten sich in der Wildheit des schottischen Hochlands, erkannten ihre gegenseitige Zuneigung und zeugten ein Kind der Liebe: Juna.
    Warum konnte ihr Vater nicht einfach zugeben, was wirklich geschehen war? Und, was noch viel rätselhafter war: Warum hatte ihr Großvater die Wahrheit all die Jahre verschwiegen … und tat es noch immer?

    Sie wusste, dass ihr Vater als junger Mann gern für ein paar Tage oder Wochen in den Highlands abgetaucht war. Im Grunde eignete er sich überhaupt nicht für ein Leben in London. Er liebte Hunde. Das sah man ihm an, sobald er einem Vierbeiner begegnete, und er hatte ein Faible für die Jagd. Letzteres hatte sich sogar darin geäußert, dass er gegen das Verbot der Fuchsjagd gestimmt hatte, obwohl Juna wusste, dass er diese britische Tradition insgeheim infrage stellte.
    Im Grunde hatte er viel mehr Ähnlichkeiten mit seinem Onkel Richard, nach dem er auch benannt war und der den Stammsitz der Familie verwaltete, als mit seinem liberalen Vater, der sich für ein relativ einfaches Leben in Glasgow entschieden hatte. Es war ein offenes Geheimnis, dass er dem Clan-Chief auch finanziell unter die Arme griff, wo es nur ging. Ein Estate wie das der MacDonnells war nicht so ohne weiteres zu bewirtschaften, auch wenn es zuweilen Spenden von ausgewanderten Verwandten aus Übersee gab. Deshalb lebte Großonkel Richard längst im gut zu heizenden Wildhüter-Cottage, statt im zugigen Stammsitz der Familie zu residieren.
    Von all dem ahnte ihre standesbewusste Freundin Sirona natürlich nichts. Ihre Vorfahren waren nach Großbritannien eingewandert und hatten hier ihr Glück gemacht. Seit wenigen Wochen besaß die Familie sogar eine Whisky-Destillerie, und Juna bemerkte schnell, dass Sironas nördlicher Akzent

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