Fluegelschlag
mit einer jungen Frau. Zweifellos ein Mitglied des RFH. Glücklicherweise hatten ihr beide den Rücken zugekehrt und würden Junas Begleiter nicht sehen können. Sie blickte sich nach dem Marquis um, weil sie ihn nach dem Grund seiner Warnung fragen wollte und um ihn anschließend fortzuschicken, doch der Dämon war bereits verschwunden.
»Hier sind wir!« Sironas Stimme klang näher, als Juna vermutet hatte, und tatsächlich stand ihre Freundin plötzlich neben ihr. »Was stehst du denn da wie ein verlorenes Rehkitz?«
»Ich würde lieber nach Hause gehen, mir ist nicht gut.«
Sirona sah sie prüfend an. »Du siehst aus, als hätte dir unterwegs ein Ungeheuer aufgelauert. Du bist ja ganz blass.« Sie zog Juna bis zu einer Sitzgruppe hinter sich her und drückte sie in die weichen Polster. Die andere Frau war verschwunden. »Lauf nicht weg, ich bin gleich zurück.« Sehr bald stand sie mit Wasser und zwei Drinks, die sich bei näherer Betrachtung als Whisky entpuppten, wieder vor ihr. »Slàinte!«
»Danke«, sagte Juna schwach und nippte an ihrem Wasserglas.
Ihr war tatsächlich etwas schwindelig gewesen, das kühle Getränk tat ihr gut.
Allmählich erholte sich Juna wieder. Sie schüttelte drei oder vier Mal Hände von Frauen, die Sirona an ihren Tisch winkte, um sie ihr vorzustellen. Alles wirkte ganz normal, Sironas Freundinnen plauderten nett mit ihnen, bevor sie weiterzogen. Von Engeln sprach zum Glück niemand, und fast war sie versucht, ihre heutige Begegnung mit dem Dämon als Produkt einer überreizten Fantasie zu betrachten, als Sirona plötzlich aufgeregt flüsterte. »Dreh dich nicht um. An der Bar steht ein umwerfend attraktiver Mann, und er sieht unentwegt zu uns herüber!« Den Blick, den sie über Junas Schulter warf, konnte man nur als sinnlich bezeichnen.
»Du flirtest doch nicht etwa!« Juna lachte. Langsam drehte sie sich um und erstarrte. Du schon wieder!
Der Dämon zwinkerte ihr zu. Schnell drehte sie sich zurück.
Sirona bemerkte ihren Stimmungsumschwung nicht, sie plapperte weiter. »Natürlich nicht. Ich bin eine treue Seele. Aber gut genug sähe er aus, um einer von ihnen zu sein. Vielleicht solltest du …« Plötzlich stand sie auf. »Oh, guten Abend Elsa. Wie nett.«
Elsa zeigte sich keineswegs begeistert über ihre Anwesenheit. Sie warf Juna einen giftigen Blick zu. »Du möchtest wissen, wer der Mann dort an der Bar ist? Frag doch einmal deine feine Freundin.« Jetzt zeigte sie theatralisch auf Juna. »Die da weiß es ganz bestimmt, nicht wahr, Miss MacDonnell?«
Juna, die ihre Situation auch unangenehm genug fand, ohne zu den beiden aufsehen zu müssen, erhob sich. »Ich
habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.« Langsam ließ sie den Blick über ihre Widersacherin gleiten, als wollte sie ihren Wert taxieren. Dieses Flair von Arroganz hatte sie ihrer Stiefmutter abgeschaut, die eine Meisterin darin war, jeder anderen Frau das Gefühl zu vermitteln, sie sei nicht mehr als ein hässlicher Käfer im Staub unter ihren Füßen. Juna hatte sich als Kind oft genug selbst so gefühlt. Jetzt kostete sie ihre Überlegenheit aus. »Lass uns gehen, diese Gesellschaft gefällt mir nicht«, sagte sie zu Sirona, die ihr ausnahmsweise einmal nicht widersprach.
»Er kommt unmittelbar aus Gehenna, und nach allem, was ich vorhin gesehen habe, ist er nichts anderes als ihr dämonischer Liebhaber.« Elsas Stimme zitterte, aber sie hob triumphierend das Kinn.
Juna spürte das Feuer in sich aufflammen. »Ich rate Ihnen gut, diese infame Lüge niemals wieder laut auszusprechen!« Sie merkte nicht, dass sie die Fäuste geballt hatte.
»Es ist keine Lüge!«
Als sie Elsa ansah, wusste Juna, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Die Pupillen der Frau weiteten sich beim Anblick des Feuers in Junas Augen, und sie wich einen Schritt zurück.
»Sie sagt die Wahrheit.« Der Marquis war wie aus dem Nichts neben Elsa aufgetaucht. Jetzt legte er ihr vertraulich den Arm um die Schultern und beugte sich herab. »Leider hatte ich bisher noch nicht das Vergnügen, von dieser Schönen erhört zu werden. Aber vielleicht möchtest du ihren Platz in meinem … Herzen einnehmen?«
Juna tat die Frau beinahe leid. Tu ihr nichts , bat sie, ohne nachzudenken.
Seine Antwort war ein Befehl. Geh!
Sirona bewies mehr Verstand als ihre Freundin, die den Dämon erbost anstarrte. Sie griff nach Junas Hand und zerrte sie zum Ausgang.
Wortlos trennten sich die Freundinnen im Gang vor ihren Hotelzimmern, ohne ein weiteres
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