Fluegelschlag
aus. Aber warte … er hatte eine Brandnarbe auf dem rechten Arm.«
Seine Stimme klang eine Spur freundlicher. »Wir finden ihn.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, warum …«
Er unterbrach sie. »Lass das nur meine Sorge sein. Du fährst bis Glasgow durch. Keine Pause und keine Umwege, egal, was passiert.«
»Aber Finn muss …«, wollte sie entgegnen, doch die Leitung war bereits tot. »Hast du gehört? Keine Pinkelpause für uns beide. Wahrscheinlich müssen Feen nie aufs Klo.«
Finns Schnaufen drückte recht gut aus, was auch Juna dabei empfand, derart herumkommandiert zu werden. Aber Cathure hatte ein Wunder vollbracht, und sie tat vermutlich gut daran, seinen Anweisungen zu folgen. Sie drehte sich kurz zu ihrem Hund um, der auf dem Rücksitz saß und hechelnd aus dem Fenster schaute. Als sie wieder auf die Straße sah, passierte es: Eine Gestalt tauchte wie aus dem Nichts vor ihr auf, und sie trat mit voller Kraft auf die Bremse.
18
A rian setzte sich auf die Kante des Felsvorsprungs. Der weite Blick über das Tal hätte jeden anderen Bergsteiger für den anstrengenden Aufstieg entschädigt. Er jedoch ignorierte die Aussicht, beugte sich vor und sah hinab in die Tiefe. Einen ganzen Tag hatte er gebraucht, um hier hinaufzusteigen. Hätte er fliegen dürfen, wäre er in wenigen Minuten auf dem Gipfel gelandet, der sich hinter ihm auftürmte.
Der Auftrag hatte jedoch gelautet: Die Erde sei dein Element, während du das Land des Drachen bis zum Dach der Welt durchquerst.
Sein Blick blieb an den schmutzigen Füßen hängen, die über dem Abgrund baumelten. Wie jeden Abend waren sie blutig gelaufen, doch daran hatte er sich gewöhnt, wie auch an das rotbraune Gewand der Mönche, deren Kampfkunst und Bescheidenheit er ebenso bewunderte wie ihren Mut.
Die Luft war hier oben, wo kein Baum mehr wuchs und ihm seit Tagen kein Mensch mehr begegnete, schon deutlich dünner. Doch so viel Engelsmacht war in ihm geblieben, dass ihm der Mangel an Sauerstoff ebenso wenig ausmachte wie die tagelange Wanderung ohne Proviant. Er fühlte keinen Schmerz, und bisher hatte es genügend Flüsse und Bäche gegeben, in denen er sich hatte waschen oder seine Füße kühlen können.
Was ihn am Ziel seiner Wanderung erwarten würde, wusste er nicht. Doch er war bereit, alles zu tun, um Juna wiedersehen zu können, und genau dies war es, was ihm die Nachricht in Aussicht stellte, die er bei sich trug. Vielleicht nicht in so klaren Worten, aber Arian war mit den kryptischen Formulierungen seiner himmlischen Auftraggeber seit Ewigkeiten vertraut und blieb trotz des langen Wegs, den er bereits zurückgelegt hatte, zuversichtlich.
Immerhin musste er vorerst nicht sein Versprechen an den Marquis einhalten, denn so lange, wie er in himmlischen Diensten stand, hatte der Dämon keine Macht über ihn. Es war später Nachmittag, ein klarer Tag neigte sich seinem Ende zu, und die Sonne zauberte wundersame Farben auf die hohen Gipfel der umliegenden Berge. In der Dunkelheit würde selbst er bald nicht mehr sicher vorankommen, und so erhob sich Arian, um nach einem geeigneten Platz für die Nacht zu suchen. Er war keine zwei Schritte gegangen, als ihn ein stechender Schmerz in die Knie zwang.
Juna!
Arian hatte sich von Anfang an zu Juna hingezogen gefühlt. Es hatte nicht lange gedauert, bis er hatte erkennen müssen, dass ein Engel lieben kann, selbst ein halbherzig verstoßener wie er. Juna und er waren auf eine Weise verbunden, die ihm täglich neue Rätsel aufgab. Und mindestens ebenso bemerkenswert wie diese hingebungsvolle Liebe, die er für sie empfand, war noch etwas anderes. Ganz langsam kehrte seine Erinnerung an die Zeit vor seiner fatalen Begegnung mit den Engelmachern zurück. Er war in einer einflussreichen Familie aufgewachsen und hatte das Kriegshandwerk erlernt, wie es Brauch war.
Der sterbliche Arian besaß bereits in sehr jungen Jahren eine besondere Ausstrahlung, und die Frauen lagen ihm zu Füßen. Wer hätte da widerstehen können? Er kostete die Früchte, die das Leben ihm so bereitwillig anbot. Bald haftete dem jungen Krieger der Ruf eines Herzensbrechers an, was seinem Erfolg beim weiblichen und auch männlichen Geschlecht jedoch keineswegs schadete, denn er war ein exzellenter Kämpfer und dabei nicht ungebildet oder unnötig roh. Was ihm noch zum Glück fehlte, war eine eigene Familie - umso mehr, als seit einiger Zeit Gerüchte zu hören waren, die seinen Status infrage stellten. Er sei ein Findelkind,
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