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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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eingefallen.
    Und wenn er sie während der Übungsstunden, wenn Juna einmal etwas schiefging, heilen musste, war es nicht nur das Licht, das ein warmes Gefühl der Geborgenheit in ihr auslöste.

    Lucian benahm sich überhaupt nicht mehr wie der rücksichtslose Verführer, wie er es während ihrer ersten Begegnungen getan hatte. Sie war sich nicht sicher, ob er einfach nur seine Strategie geändert hatte oder sich ernsthaft über ihre Fortschritte freute. Jedenfalls machte er seither den Eindruck, als sei er mit seiner Rolle als guter Freund zufrieden. Früher wäre die passende Umschreibung dafür wahrscheinlich gewesen, er mache ihr respektvoll den Hof.
    Sicher durfte sie sich allerdings nicht fühlen, denn manchmal meinte sie, immer noch die frühere Leidenschaft hinter seinen kontrollierten Berührungen zu spüren. Und die täglichen Übungsstunden blieben nicht ohne Wirkung auf ihre eigene Fantasie.
    Lucian war darüber hinaus ein gebildeter und humorvoller Unterhalter. Sie lachten über die gleichen Dinge, er verstand viel von Literatur und war sogar erstaunlich gut über aktuelle Trends informiert. Besonders aber beeindruckte sie sein Wissen über die Zusammenhänge in der Natur.
    Juna hatte von sich angenommen, einen außergewöhnlichen Instinkt im Umgang mit Tiere zu besitzen, dabei galt ihre Leidenschaft jedoch vor allem den Haustieren. Lucian dagegen bevorzugte wild lebende Tiere, und es war wohl kaum eine Überraschung, dass ihm dabei die Raubtiere am liebsten waren. Finn begegnete er mit freundlicher Zurückhaltung, was dieser allerdings nicht übelzunehmen schien, da er selbst darauf bedacht war, stets einen gewissen Abstand zwischen sich und dem Dämon zu wahren.
    Einmal hatte Lucian den Zeigefinger auf seine Lippen gelegt und ihr bedeutet zu warten. Er war zum Waldrand gegangen und kurz darauf mit einem Hasen im Arm zurückgekehrt.
Instinktiv hatte Juna nach dem Tier greifen wollen, um zu sehen, was ihm fehlte. Doch Lucian hatte leise gesagt: »Seine Zeit ist gekommen.« Und als er die Hand über die Augen des Tieres legte, ging ein leises Zittern durch den zarten Körper, und Juna wusste, dass dieses Leben vorüber war. Sie fragte sich schon, warum Lucian das Tier nicht einfach in seinem Sterbeversteck gelassen hatte, als er den Hasen in ihre Arme legte, zwei Finger in den Mund steckte und pfiff. Keine Minute später erschien der Rotmilan, den sie schon häufiger beobachtet hatte, wie er auf der Suche nach Futter über dem See und den ihn umgebenden Wäldern gekreist war. Lucian streckte den Arm aus, und zu ihrer großen Überraschung landete der Vogel darauf. Die langen Krallen bohrten sich dabei tief in das Fleisch, doch Lucian schien den Schmerz nicht zu spüren. »Ist er nicht herrlich?«, fragte er leise.
    Während ihrer Arbeit als Tierretterin hatte Juna häufig Greifvögel gefangen und in eine der Auffangstationen gebracht. Doch jene Tiere waren krank gewesen oder dem Hungertod nahe. Dieser Vogel blickte sie mit klaren Augen an. Der gebogene Schnabel war ebenso respekteinflößend wie seine Größe. Er mochte gut siebzig Zentimeter hoch sein, die Spannweite - das hatte sie im Anflug gesehen - war deutlich größer als ihre eigene, und das herrliche Gefieder schimmerte rötlich braun.
    »Gib ihm den Hasen«, sagte Lucian.
    Juna zögerte nicht lange und nahm Augenkontakt mit dem Milan auf. Das ist für dich, du Schöner! Damit warf sie das verendete Tier hoch in die Luft, der Vogel stieß einen Schrei aus und hatte den noch warmen Kadaver ergriffen, bevor er wieder zu Boden fallen konnte. Mit seiner Beute in
den Fängen strich er über den See, zweifellos, um ungestört und in Sicherheit sein Mahl einzunehmen.
    »Du weißt, wie man eine Tierärztin um den Finger wickeln kann«, sagte Juna. Hatte er diese Vorführung nur inszeniert, um sie zu beeindrucken?
    »Hat er dir denn nicht gefallen?«
    »Doch, natürlich …« Juna dachte an den Hasen und fragte sich einen Augenblick lang, ob das Tier wirklich eines natürlichen Todes gestorben war.
    »Na also! Und jetzt zurück an die Arbeit.« Er zeigte auf einen umgefallenen Baum. »Ich frage mich, ob du noch weißt, wie du dein Feuer unmittelbar hinter diesem Stamm platzieren kannst.«
    In Sekundenschnelle loderten an der beschriebenen Stelle Flammen auf, und Juna sah ihren Lehrer selbstbewusst an.
    »Und jetzt lass sie bis zum Ufer laufen, aber halte sie immer in der gleichen Höhe.«
    Auch dies gelang.
    Sogar die gefährlichen Feuerbälle konnte sie

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