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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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unterwegs waren.

    Er faltete die Flügel zusammen, ließ sie hinter seinem Rücken verschwinden und sah nun für den menschlichen Betrachter wie ein ganz normaler Mann aus. »Wer würde schon jemandem glauben, der erzählt, er habe einen schwarzen Engel und ein kleines Mädchen am Carron-See gesehen?«
    »Kleines Mädchen?« Juna umfasste den Kieselstein fester.
    »Dir fehlt die Schleuder.« Lucian nahm ihr den Stein behutsam aus der Hand, drehte sich und ließ ihn über das Wasser tanzen.
    Nach dem zehnten Sprung hörte sie auf mitzuzählen. »Du spielst nicht fair!«
    Er legte den Kopf schräg, in seinen Augen funkelte es. »Natürlich nicht, wo denkst du hin?« Dann bemerkte er ihre nervösen Blicke nach oben. »Keine Sorge, so schnell werden sie nicht wiederkommen. Ich habe ihnen etwas Beschäftigung gegeben.«
    Juna wollte nicht wissen, was er getan hatte, um die Gerechten von ihr abzulenken. »Dann können wir ja beginnen.«
    Lucian formte einen hellen Ball aus Licht und Energie. Funken sprühten, und was auch im Inneren gefangen sein mochte, es wollte mit aller Macht hinaus. Unbekümmert ließ er das unberechenbare Gebilde auf seiner Handfläche tanzen. »Streck deine Hand aus.«
    Nach kurzem Zögern folgte Juna der Anweisung, aber ihre Finger zitterten.
    Er blickte ihr tief in die Augen. »Ich weiß, ich verlange viel, aber du musst deine Angst überwinden, sonst funktioniert es nicht.«
    Sie nickte und starrte auf den Feuerball, bis kleine Lichter vor ihren Augen tanzten. Die ganze Nacht hatte sie überlegt, ob sie es wagen sollte, sich seiner Führung anzuvertrauen.
Und schließlich war es die Einsicht gewesen, dass er ihre beste Chance war, um die Kräfte kennenzulernen, die er so virtuos beherrschte.
    »Vertraust du mir?«
    Juna erwiderte seinen Blick. »Ja … ja, das tue ich. In dieser Sache und für den Augenblick.«
    War da ein Schatten über sein Gesicht gehuscht?
    »Damit werde ich mich begnügen müssen. Für den Augenblick.«
    Lucians Stimme klang so glatt wie immer. Sie musste sich geirrt haben.
    Behutsam ließ er die knisternde und zischende Kugel in ihre Hand gleiten. Sie hatte erwartet, Wärme zu spüren, aber außer einem leichten Kribbeln bemerkte sie nichts. Fragend sah sie ihn an.
    »Im Moment bin ich es noch, der sie hält. Ich werde sie jetzt ganz langsam loslassen. Konzentriere dich darauf, die Form nicht aus dem Gedächtnis zu verlieren.«
    »Okay!« Sofort verstärkte sich das Kribbeln, die Lichter begannen zu tanzen, und Juna, deren inneres Feuer erwacht war, bekam das mulmige Gefühl, dass es versuchte, die Form, die sie festhielt, aufzubrechen und sich mit ihr zu verbinden.
    Der einzelne Ruf einer Krähe reichte aus, um ihre Konzentration zu stören. Hohe Flammen loderten aus dem Ball, und Hitze tropfte wie geschmolzener Kunststoff von ihrer Hand.
    »Au!« Erschrocken sprang Juna zurück.
    Lucian lachte, berührte dabei jedoch zart ihre Hand. Sofort verschwand der Schmerz. »Das war für den Anfang nicht schlecht. Lass es uns gleich noch einmal probieren.«
    Er formte eine neue Kugel, legte sie in ihre Handfläche
und ließ ganz langsam los. Dieses Mal konnte Juna sie bereits ein wenig länger halten.
    Der Tag verging im Fluge, und kurz bevor die Sonne hinter dem Wald versinken wollte, gelang es Juna, die geballte Energie mehrere Minuten zusammenzuhalten.
    Bevor es erneut aufloderte, fing Lucian das Feuer auf, das immer noch sein eigenes war. Wie man die Energiekugeln formte, würde er sie erst lehren, wenn sie mit ihnen Ball spielen könne, hatte er ihr erklärt und dann verkündet: »Genug für heute.«
     
    Nach diesem Tag trafen sie sich regelmäßig, und Juna erkannte bald, dass sie vor allem sich selbst vertrauen musste, wenn sie ihre Kräfte jemals wirklich beherrschen wollte. Lucian war ein geduldiger Lehrer, er lobte viel und korrigierte nur behutsam. Seine aufmunternden Worte taten ihr gut, und Juna wurde immer sicherer. Als sie jedoch ihren Wunsch wiederholte, auch den Schwertkampf zu erlernen, sagte er, dass es dafür noch zu früh sei.
    In ruhigen Minuten, vor dem Schlafengehen oder wenn sie abends mit einem Buch allein vor dem Kamin saß, gestand sich Juna ein: In den letzten Wochen war mehr passiert, als gut für ihr Seelenheil sein konnte. Selbstverständlich liebte sie Arian, aber Lucian war zu ihrem täglichen Begleiter geworden und hatte sich ganz unauffällig in ihr Herz geschlichen. Hätte sie die Namen ihrer Freunde aufzählen müssen, seiner wäre ihr zuerst

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