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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Außerdem hat er mir versprochen, mich zu beschützen. Wem sollte man auf dieser Welt noch Glauben schenken dürfen, wenn nicht einem Engel?
    Sie öffnete die Augen, als Arian ihr einen sanften Kuss auf den Hals hauchte. Oder war es der Wind gewesen? Auf einmal konnte Juna viel besser sehen, die Farben des Tages blieben verborgen, aber die klare Nacht besaß einen ganz besonderen Zauber. Sie waren höhergestiegen. Über ihnen spannte sich ein dunkles Firmament, an dem so viele Sterne glitzerten, dass man schon glauben konnte, sie hätten die südliche Hemisphäre erreicht. Doch die bekannten Sternbilder verrieten ihr, dass sie gen Norden unterwegs waren. Juna konnte sich gar nicht sattsehen an der nächtlichen
Pracht, die den Bewohnern stark besiedelter Gebiete seit langer Zeit schon vorenthalten blieb, weil künstliche Lichter und der Dunst der Städte sie verhüllte.
    Ein vorsichtiger Blick hinab verriet ihr, dass sie inzwischen das Stadtgebiet verlassen hatten. Nur noch vereinzelt waren winzige Lichtnester zu erkennen. Die Erde hatte ihr mitternächtliches Gewand übergestreift. Unter ihnen zogen einzelne Wolken dahin, denen das helle Mondlicht silberne Konturen geschenkt hatte. Sie sahen weich und einladend aus, als hätte Frau Holle ihre kostbarsten Federbetten zum Lüften ausgelegt, und schienen, ganz wie echte Daunen, im Licht zu wachsen.
    »Wie wunderbar!«, flüsterte Juna und zuckte erstaunt zusammen, als Arians Atem ihr Ohr streifte.
    »Du solltest es erst im Sonnenlicht sehen!«
    Dabei umrundete er eine Wolke, und Juna begriff, dass sie zur Erde hinabglitten. Während sie sich noch auf eine holprige Landung vorzubereiten versuchte, entließ Arian sie bereits aus seinen Armen.
    Überrascht drehte sie sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Arian trotz allem herausfordernd an. »Lass dir nicht einfallen, mich noch einmal so zu verschleppen.« Als er nichts erwiderte, sondern stattdessen in die Ferne lauschte, sah sie sich um. Aber eigentlich gab es nicht viel zu sehen. Der Mond hielt sich hinter einer Wolke versteckt, und das bisschen Licht, das er dennoch abgab, reichte gerade, um im Umkreis von einigen Metern Moos und struppige Heide zu erkennen. Felsbrocken lagen herum, als hätte sie ein Riese bei seinem letzten Besuch verstreut. Einer davon war riesengroß und warf unheimliche Schatten. Sie hatte allerdings im Augenblick wenig
Sinn für die geologischen Besonderheiten dieses wenig einladenden Ortes. Juna fror in ihrer nassen Kleidung und zog die Strickjacke fester vor der Brust zusammen. Wer hätte gedacht, dass es so abkühlen würde? Der Wetterbericht hatte am Nachmittag etwas ganz anderes behauptet. Von einem herrlichen Sommerabend war die Rede gewesen. Der Radiomoderator hatte Witze über einen zu erwartenden Babyboom im kommenden Frühjahr gemacht und nach jedem Song, den er gespielt hatte, anzügliche Vermutungen angestellt, auf welche Weise die Glaswegians diese Nacht in den Parks und Gärten verbringen würden. »Wo sind wir überhaupt?«
    »In Sicherheit.«
    »Aha.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu, blieb mit dem Absatz in einem Büschel Heidekraut hängen und geriet ins Straucheln. Arian war sofort bei ihr und fing sie auf, bevor sie vollends stürzte.
    Wäre sie nicht so erschrocken gewesen, hätte sie sofort gewusst, dass es nicht ihr harmloser Fehltritt war, der ihren Puls beschleunigte, sondern seine Nähe. Seine athletische Gestalt schmiegte sich auf verstörend intime Weise an ihre viel sanfteren Formen, als wären sich ihre Körper niemals fremd gewesen, und sie brachte nicht die Kraft auf, sich aus der Umarmung zu befreien. Ihr Verstand konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Zwar sah sie trotz der Dunkelheit deutlich, wie sich Arians Kopf langsam zu ihr herabsenkte, nahm das Kitzeln wahr, das seine dunklen Haare auslösten, als sie ihre Wangen berührten, aber Junas Verstand war wie gelähmt und konnte keine Verbindung zwischen seinem Verhalten und dem, was nun kommen würde, herstellen. Als ihre Lippen eine sanfte Berührung
spürten, reagierte sie im ersten Augenblick überhaupt nicht. Doch dann durchströmte sie in Sekundenschnelle eine Flut verstörender Gefühle, erhitzte ihren Körper auf bisher unbekannte Weise und weckte ihn damit aus seinem Dornröschenschlaf. Instinktiv schmiegte sie sich an Arian, als habe sie eine Ewigkeit auf diesen Kuss gewartet.
     
    Er strich ihr Haar beiseite, legte eine warme Hand in ihren Nacken und zog sie noch näher

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