Fluegelschlag
wirbelte herum und zog ihm das Schwert quer durchs Gesicht. Nácar heulte auf, schoss pfeilschnell in die Höhe
und tauchte gleich darauf hinter Iris auf, die den Kopf noch in den Nacken gelegt hatte, um zu sehen, wohin er so plötzlich verschwunden war.
Juna dachte nicht nach. Sie sprang vor, um ihn beiseitezustoßen und damit den tödlichen Streich abzulenken. Doch sie kam zu spät.
Mit größter Präzision bohrte sich die Klinge in Iris’ Rücken. »Lauf!«, flüsterte sie im Fallen.
Juna konnte sich vor Entsetzen nicht rühren und musste tatenlos zusehen, wie Nácar eine Kugel aus Feuer formte, das seiner Handfläche zu entspringen schien.
»Wir sehen uns in Gehenna«, fauchte er und warf das komprimierte Feuer auf die am Boden Liegende. Sofort breitete es sich über ihren gesamten Körper aus.
Silberne Tränen rollten über Iris’ Gesicht, als sie flüsterte: »Verzeih mir!«
Danach begannen die kleinen Sternenlichter aufzusteigen, die Juna inzwischen zu hassen begonnen hatte - schließlich bedeuteten sie das Ende einer irdischen Existenz.
»Warum hast du das getan?«, schluchzte sie und fiel auf die Knie.
»Hör auf zu jammern!« Nácar packte sie grob an ihren Haaren und riss sie auf die Füße. »Du solltest mir dankbar …«
Doch Juna hörte nicht mehr, was er noch sagte. Zu überwältigt war sie von der Erkenntnis, die ihre unfreiwillige Intimität ihr beschert hatte. »Gefallen!«, flüsterte sie. »Du bist ein …!«
Sein wütendes Zischen hätte ausgereicht, sie verstummen zu lassen. Der Schmerz, den seine Hand in ihrem Haar
verursachte, raubte ihr für einen Augenblick fast den Verstand. Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, als er drohte: »Sprich es aus und du bist tot!«
Hinter ihm entfalteten sich seine Schwingen, er umfasste ihre Taille und schoss mit Juna im Arm empor, bis fast in die Wolken. Sie hörte noch Johns Stimme aus der Ferne: »Hey, und was wird aus mir?«
Danach war nichts als Leere.
Seit drei Tagen saß sie hier fest. Es kam ihr allerdings viel länger vor, und als der Abend des dritten Tages anbrach, konnte sie dies nicht wissen, sondern nur vermuten, weil ein Tablett mit Abendessen vor ihr stand. In einem Raum gefangen, der kein Fenster besaß, verbrachte sie einen Großteil ihrer Zeit damit, die leicht klaustrophobischen Zustände zu kontrollieren, die sie immer wieder heimsuchten. Ihr war nichts Persönliches geblieben, außer dem Piercing, das sie sich in einem Anfall von Abenteuerlust vor einiger Zeit hatte machen lassen.
Arian hatte gelacht, als er den winzigen Engel zum ersten Mal gesehen hatte, der in einem Ring an ihrem Bauchnabel saß wie in einer Schaukel.
Arian, hilf mir.
Ihre Jeans, selbst das Shirt hätten ihr jetzt Trost und vor allem Schutz geboten. Und wahrscheinlich war genau das der Grund, warum man ihr alles abgenommen und durch ein Kleid ersetzt hatte, das den Namen kaum verdiente, so kurz war es. Die Höschen wären besser in einer Erotikshow aufgehoben gewesen, aber darauf zu verzichten, fiel ihr nicht ein. Sie war gewiss nicht prüde, in dieser Kleidung jedoch fühlte sie sich ausgeliefert und noch verletzlicher. Merkwürdigerweise
trug sie auch Cathures Amulett noch. Bisher hatte es ihr allerdings herzlich wenig geholfen. Viel Magie konnte nicht in dem Holzstückchen stecken, anderenfalls hätte der Dämon es ihr bestimmt nicht gelassen.
Zugegeben, Juna musste weder Hunger noch Durst leiden, und eine Gefängniszelle in der Hölle hatte sie sich weniger komfortabel vorgestellt, aber allmählich begannen ihre Nerven ernsthaft zu rebellieren.
Wenn sie sich jetzt schon auf die Rückkehr der jungen Frau freute, deren Gesicht das Erste gewesen war, das sie nach ihrer Ohnmacht gesehen hatte, dann konnte sie nur hoffen, dabei nicht aufs falsche Pferd zu setzen. Immerhin: Nácar war nicht wiederaufgetaucht, er musste sie abgeliefert haben und sofort wieder aufgebrochen sein, um seine Spuren zu verwischen. Arian würde trotzdem nicht lange brauchen, um herauszufinden, was geschehen war, davon war sie überzeugt. Was er mit John angestellt hatte, sollte er ihn in den Ruinen gefunden haben, mochte sie sich gar nicht vorstellen. Und der arme Finn! Schnell verdrängte sie die Bilder von einem umherstreunenden Hund, der abgemagert und hungrig nach seinem Zuhause suchte. Gut, dass Iris dieser Anblick erspart blieb.
Was für ein Unsinn! Würde ihr Schutzengel noch leben, dann ginge es Finn gut. Und wer trägt die Schuld an all dem Unglück? Ich. In
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