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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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besser?«
    »Geht so.« Ihre Stimme klang matt und ausdruckslos.
    »Ich hab deine Tasche mit nach Hause genommen.«
    »Nett von dir. Danke.« Das hörte sich schon etwas besser an.
    »Soll ich sie rasch vorbeibringen?«
    »Ist nicht nötig, morgen reicht. Bring sie einfach mit in die Schule.«
    Schade. Ich war eine ganze Weile nicht mehr bei ihr zu Hause gewesen und ich vermisste es.
    »Ist gut«, sagte ich. »Und sonst?«
    »Ach, ich schäm mich so. Wie ich mich heute danebenbenommen hab …«
    »Macht nichts, das passiert jedem mal«, sagte ich. »Morgen denkt bestimmt keiner mehr dran.«
    »Meinst du? Ich fühl mich total mies. Ich weiß einfach nicht mehr weiter, Anna. Wenn’s nur irgendwelche Pillen gäbe, die machen, dass man das ganze Elend vergisst …«
    »Komm mit zur Party«, sagte ich. »Tanzen ist die beste Medizin.«
    Nach dem Abendessen fragte ich Ma, ob es solche Pillen, wie Tibby sie erwähnt hatte, gab.
    »Du meinst Medikamente gegen Depressionen? Sicher, davon gibt es jede Menge. Ob sie wirklich helfen, ist eine andereFrage. Bei manchen Leuten erhöhen sie sogar das Suizidrisiko. Und das ist nun ganz und gar nicht Sinn der Sache.«
    Suizidrisiko? Dann brachten sich diese Leute womöglich um – das war ja voll übel!
    »Aber wenn ein Medikament nicht hilft und sogar gefährlich ist, darf es doch gar nicht erst verschrieben werden, oder?«
    »So einfach ist das leider nicht«, sagte Ma. »Man führt natürlich jede Menge Tests durch, bevor ein Medikament freigegeben wird. Aber andererseits wird es nicht sofort vom Markt genommen, nur weil Zweifel an seiner Wirksamkeit aufkommen. Dafür braucht es knallharte Tatsachen. Weil es nämlich um Geld geht, um sehr viel Geld für die Pharmafirmen.«
    »Sehr viel Geld?«
    »Weltweit geht es in die Milliarden.«
    »Milliarden!?«
    Ma nickte zögernd. »Warum willst du das alles überhaupt wissen?«, fragte sie dann.
    »Für ein Referat«, sagte ich schnell. »Ist es denn falsch, mit Medikamenten Gewinn zu machen?«
    »Nein. Gewinn ist im Prinzip eine feine Sache. Auch für mich. Weil die Geschäfte in der Apotheke dieses Jahr gut gelaufen sind, können wir uns zum Beispiel die Ägyptenreise leisten. Aber Gewinn ist eine positive Folge und darf nicht das Ziel an sich sein. Das Ziel besteht darin, dass den Patienten geholfen wird. Wenn man nur den Gewinn anstrebt, verliert man seine Integrität.«
    Darum also nahm Ma ihren Job so ernst. Endlich verstand ich sie ein wenig. Und zugleich wurde mir klar, dass es daserste Mal seit Monaten war, dass Ma und ich uns vernünftig unterhielten, ganz ohne zu streiten. Und das fand ich schön.
    »Wenn der Gewinn aus der Apotheke es zulässt, könnten wir beide doch mal wieder in Utrecht shoppen gehen«, schlug ich vor.
    »Den Gewinn auf den Kopf hauen?« Ma lachte. »Abgemacht. Das ist eine gute Idee. Aber nun verrat mir mal, warum du das alles wirklich wissen willst.«
    »Wegen Tibby«, sagte ich. »Sie ist total deprimiert, weil sie so große Probleme in der Schule hat. Und irgendwie habe ich das Gefühl, ich komme nicht mehr an sie ran.«
    »Hmmm«, machte Ma. »Das ist bedenklich. Sie sollte unbedingt Hilfe suchen.«
    »Du meinst, zu einem Arzt gehen?«
    »Wäre nicht verkehrt«, erwiderte Ma. »Schlag es ihr doch einfach mal vor. Weißt du was, Tibby hat großes Glück mit einer Freundin wie dir. Ich bin richtig stolz auf dich.« Sie nahm mich in den Arm und drückte mich fest, ganz so wie früher.

6
    Draußen war es regnerisch und windig, und Tibby und ich hockten in der Pausenhalle auf dem Heizkörper.
    Gestern war ich mal wieder bei ihr gewesen, um gemeinsam Mathe-Hausaufgaben zu machen. Es war darauf hinausgelaufen,dass ich am Küchentisch saß und rechnete, während sie in einem fort klagte: Sie habe kein anständiges Lineal, ihr Heft sei verschwunden, im Buch stehe ein Fehler und überhaupt würde Frau Driessen die Aufgaben immer so kompliziert erklären, dass kein Mensch was kapiere.
    Ich zeigte ihr den Rechenweg noch mal, während sie Strichmännchen auf ein Blatt malte.
    Schließlich machte ich mich auf den Weg zum Hockeytraining. Tibby hatte noch nicht eine Aufgabe fertig.
    »Ich mach gleich weiter«, sagte sie, doch als ich davonradelte und mich noch einmal kurz umblickte, sah ich sie in den Garten gehen.
    Tibby brauchte wirklich Hilfe, das ließ sich nicht mehr länger leugnen. Kurz bevor es zur nächsten Stunde klingelte, fasste ich mir ein Herz. »Tibs, ich finde, du solltest mit JP reden«, begann ich.

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