Flüsterherz
um den Hals.
»Tut mir leid, dass ich mir die Bücher einfach genommen hab.«
»Schon in Ordnung. Aber nächstes Mal fragst du vorher, okay?«
»Und dann sagst du natürlich Nein.«
»Das käme auf einen Versuch an«, sagte Pa und zwinkerte mir zu.
»Wann fliegen wir?«, fragte Sam.
»Am vierundzwanzigsten abends.«
»Na, das kann ja heiter werden: mit ’nem Kater von der Christmas-Party direkt in den Flieger«, meinte Sam.
»Christmas-Party?«, sagte Ma. »Das halte ich für keine gute Idee. Dann seid ihr ja völlig groggy, wenn die Reise anfängt.«
Ich warf Sam einen stechenden Blick zu. Wie konnte er nur so blöd sein! Hätte er doch bloß die Klappe gehalten!
Er guckte dämlich aus der Wäsche.
Zum Glück hatte Ma nicht gesagt, dass wir nicht gehen durften, sondern nur, dass sie es für keine gute Idee hielt.
4
Als ich in der Schule erzählte, dass ich in den Weihnachtsferien in Ägypten sein würde, wurden die anderen grün vor Neid, obwohl sie selber spannende Pläne hatten: Eileen flog wieder zu ihrem Opa nach New York und Jeske und Lianne besuchten Verwandte in Frankreich.
Tibby sagte, sie freue sich riesig auf die Christmas-Party und in der Zeit danach würde sie es sich zu Hause gemütlich machen. Ich hoffte inständig, dass Tarik auch zu der Party kommen würde und dass sich endlich was zwischen den beiden ergab. Das hatte Tibby echt verdient, fand ich. In den letzten Tagen hatte sie sich im Unterricht viel mehr Mühe gegeben als sonst und sie schien auch wieder besser gelaunt zu sein.
Aber dann bekam sie doch wieder eine Fünf zurück. In Französisch.
»
Alors, ma chérie
«, sagte Frau Bonamour. »Du hast anscheinend wieder nicht gelernt, was?«
»Hab ich wohl!«, sagte Tibby.
»Dann solltest du vielleicht besser mal einen Legasthenie-Test machen«, meinte Frau Bonamour. Das war fies, obwohl sie vermutlich nicht gehässig sein wollte, sondern schlicht urlaubsreif war.
Tibby legte den Kopf auf die verschränkten Arme. Ich hörte zwar nichts, war aber sicher, dass sie weinte.
»Dumm gelaufen, das mit Französisch«, sagte ich nach der Schule.
»Ist doch egal, die werfen mich sowieso bald raus.«
»Warum sagst du das immer wieder?«
»Weil es beim vorigen Mal auch so war. Erst sind sie nett, dann setzen sie mir wegen jeder Kleinigkeit zu und am Ende flieg ich raus. Was soll ich dann bloß machen, Anna?« Sie brach in Tränen aus, mitten auf dem Schulhof.
»Kopf hoch!« Ich legte den Arm um sie und gab ihr ein Taschentuch.
»Weißt du was?«, sagte ich und versuchte, aufmunternd zu klingen. »Du brauchst dringend Ablenkung, damit du auf andere Gedanken kommst.«
»Meinst du?«
»Klar, wir gehen zusammen zur Christmas-Party im
Sisters
. Vorher brezeln wir uns auf und dann wird getanzt bis zum Umfallen. Du wirst sehen, das hilft. Und ich wette, Tarik kommt auch.«
»Echt?« Ihre Miene hellte sich ein wenig auf.
Ich winkte Tarik, der zufällig in der Nähe stand. »He, Tarik! Kommst du zur Christmas-Party?«
»Logisch! Aber nur, wenn du auch dort bist.«
Prompt verfinsterte sich Tibbys Gesicht wieder. »Was hab ich gesagt? Dem geht’s doch nur um dich!«
»Blödsinn«, sagte ich. »Tarik flirtet mit allen. Und außerdem hab ich überhaupt kein Interesse an ihm – er gehört dir!«
»Ich will ihn aber nicht, den albernen Schwachkopf«, sagte sie wütend. »Und ich geh auch nicht mit in die Disco. Weil ich nämlich lernen muss. Das hier!« Sie zog ihr Französischbuch aus der Tasche, riss demonstrativ eine Seite heraus, warf sie auf den Boden und trat sie in den Schmutz. »Und das!« Eine weitere Seite folgte.
»Schnappst du jetzt total über, oder was?« Ich nahm ihr das Buch weg.
Als Antwort kippte sie mit Schwung ihre Schultasche aus. »Hat doch alles keinen Sinn!«, schrie sie völlig außer sich. Sie riss mir das Buch aus der Hand und schleuderte es in hohem Bogen ins Gebüsch. »Ich bin schwarz, dumm und hässlich, und alle finden mich blöd!« Damit rannte sie weg.
Ich angelte das Buch aus den Sträuchern. Tarik half mir, ihre Sachen in die Tasche zu räumen.
»Was ist denn in die gefahren?«, fragte er.
»Sie glaubt, dass du auf mich stehst.«
»Ich? Auf dich?«, sagte Tarik. »Die hat sie wohl nicht alle.«
Na also, dachte ich. Damit wäre das ein für alle Mal geklärt. Seine ungewöhnlich rote Gesichtsfarbe schrieb ich der Tatsache zu, dass er sich ärgerte.
Das hoffte ich zumindest.
5
Am Abend rief ich Tibby an.
»Na, geht’s dir wieder
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