Flüstern in der Nacht
größten Teil sogar ferngesteuert. Aber wer ein Messer benutzt, der muß darauf gefaßt sein, sich schmutzig zu machen, seinem Opfer ganz nahe zu kommen, so nahe, daß er spürt, wie Wärme aus der Wunde, die er reißt, entweicht. Es gehört schon ein ganz besonderer Mut dazu, gepaart mit Wahnsinn, um auf einen anderen Menschen einzustechen und von dem warmen Blut, das einem über die Hand spritzt, nicht abgestoßen zu werden.
Frye war jetzt über ihr. Eine seiner großen Hände legte sich über ihre Brüste, rieb und quetschte sie unsanft durch den seidigen Kleiderstoff.
Die brutale Berührung riß sie plötzlich aus ihrer Trance. Sie stieß seine Hand weg, entwand sich seinem Griff und rannte hinter die Couch. Sein Lachen klang herzhaft, beunruhigend angenehm, aber in seinen harten Augen funkelte eine satanische Freude. Er wirkte wie ein dämonischer Witz, wie die abstruse Heiterkeit der Hölle. Er wollte, daß sie sich wehrte, weil ihm die Jagd Vergnügen bereitete. »Hinaus!« schrie sie. »Verschwinden Sie!« »Ich will nicht hinaus«, sagte Frye lächelnd und schüttelte den Kopf. »Hinein will ich. O ja, genau das. In dich will ich hinein, kleine Lady. Ich will dir das Kleid vom Leibe reißen, will dich nackt sehen, und dann will ich da hinein. Ganz hinein will ich, dort, wo es warm und feucht und finster und weich ist.«
Einen Augenblick lang ließ die Furcht ihre Beine zu Gummi und ihr Inneres zu Wasser werden; doch dann erwachten stärkere Gefühle in ihr: Haß, Zorn, Wut. Nicht überlegter Zorn einer Frau gegenüber einem arroganten Mann, der ihre Würde und Rechte verletzt hatte, auch nicht intellektueller Zorn aufgrund gesellschaftlicher und biologischer Ungerechtigkeit, sondern etwas viel Fundamentaleres. Ungebeten war er in ihre Privatsphäre eingedrungen, gewaltsam in ihre Höhle vorgestoßen; sie spürte nur noch eine primitive Wut, die ihren Blick verschwimmen und ihr Herz rasen ließ. Sie legte die Zähne frei, und ganz tief in ihrer Kehle formte sich ein drohendes Knurren; sie sah sich auf eine unbewußte, fast animalische Reaktion zurückgeführt, während sie ihm gegenüberstand und nach einen Ausweg aus dieser Falle suchte. Ein niedriger, schmaler Tisch mit einer Glasplatte stand hinter dem Sofa; die Platte berührte die Rückenlehne. Zwei vierzig Zentimeter hohe Porzellanfiguren standen darauf. Sie packte eine der Figuren und warf sie nach Frye. Er duckte sich, seinerseits eine primitive, instinktive Bewegung. Das Porzellan traf die Kaminwand und explodierte wie eine Bombe. Dutzende von Bruchstücken und Hunderte von Splittern regneten auf die Feuerstelle und den Teppich herab.
»Probier's noch mal«, sagte er; er verspottete sie. Sie hob die andere Figur auf, zögerte aber, beobachtete ihn hinter zusammengekniffenen Augen, wog die Porzellanfigur in der Hand und tat dann so, als wolle sie werfen. Die Finte täuschte ihn. Er duckte sich, um dem Wurfgeschoß auszuweichen.
Mit einem kleinen Triumphschrei warf sie jetzt erst. Er war allzu überrascht, um sich erneut zu ducken; das Porzellan traf ihn seitlich am Schädel. Die Figur streifte ihn nur, richtete weniger Schaden an, als sie erhofft hatte, doch er taumelte immerhin ein oder zwei Schritte zurück. Er ging nicht zu Boden, war nicht ernsthaft verwundet, blutete nicht einmal. Aber verletzt war er, und dieser Schmerz verwandelte ihn. Seine Stimmung wirkte jetzt nicht mehr pervers spielerisch. Sein schiefes Lächeln verschwand; sein Mund wurde zum geraden, grimmigen Strich mit fest zusammengepreßten Lippen und sein Gesicht rot. Wut baute sich in ihm auf, so, als wäre er eine Uhrfeder am Sprung; die Anspannung ließ seine Muskeln am dicken Hals hervortreten – eindrucksvolle Stränge. Er beugte sich leicht nach vorn, bereit, anzugreifen. Hilary rechnete damit, daß er um die Couch herumgehen würde, und wollte ihm ausweichen, die Couch so lange zwischen ihnen lassen, bis sie etwas anderes finden würde, das sich zum Werfen eignete. Doch seine plötzlich einsetzende Bewegung ähnelte der eines wildgewordenen Bullen. Ohne jedes Gefühl strebte er geradewegs auf sie zu. Er duckte sich, packte die Couch mit beiden Händen, kippte sie und warf sie dann in einer einzigen fließenden Bewegung nach hinten um, so, als wöge sie nur ein paar Pfund. Hilary sprang zur Seite, als das schwere Möbelstück dort herunterkrachte, wo sie gerade noch gestanden hatte. Und während das Sofa noch stürzte, setzte Frye bereits darüber weg. Er griff nach ihr
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