Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Teil des Restaurants hinter der ovalen Bar befanden sich ein paar etwas abgesonderte Nischen, an drei Seiten von Wänden umgeben, die wie ein großer Beichtstuhl wirkten; und in diesen Nischen konnte man das Getöse, das aus dem Speisesaal herüberhallte, ertragen; es diente hier fast zur Tarnung, so daß man sich ungestört unterhalten konnte, wie dies ohnehin in behaglichen Nischen der Fall ist. Hilary hatte ihre Mahlzeit zur Hälfte aufgegessen, als sie plötzlich aufblickte und meinte: »Ich hab's.« Tony legte sein Sandwich weg. »Was hast du?« »Frye muß einen Bruder haben.« »Einen Bruder?« »Das würde alles erklären.«
    »Du meinst, du hättest Frye letzten Donnerstag getötet – und gestern nacht wäre dann sein Bruder aufgetaucht?« »Eine solche Ähnlichkeit kommt nur bei Brüdern vor.« »Und die Stimme?« »Sie könnten dieselbe geerbt haben.«
    »Es könnte sein, daß man eine tiefe Stimme erbt«, meinte Tony. »Aber eine, die nach deiner Beschreibung wie Kieselsteine klingt? Kann man eine solche Stimme auch erben?« »Warum nicht?«
    »Gestern nacht hast du gesagt, eine solche Stimme könnte nur infolge einer schweren Halsverletzung entstehen oder aufgrund eines deformierten Kehlkopfes bei einem Geburtsfehler.«
    »Dann habe ich mich eben getäuscht«, erklärte sie. »Oder beide Brüder haben den gleichen Geburtsfehler.« »Die Chance dafür steht vielleicht eins zu einer Million.« »Ist aber immerhin nicht unmöglich.«
    Tony nahm einen Schluck Bier und meinte dann: »Es könnte ja vielleicht sein, daß Brüder den gleichen Körperbau aufweisen und dieselben Gesichtszüge und Augen in derselben Farbe und dieselbe Stimme. Aber ist es auch möglich, daß sie unter denselben Wahnvorstellungen leiden?« Sie nahm einen Schluck Bier und dachte darüber nach, dann meinte sie: »Schwere Geisteskrankheit ist ein Produkt der Umwelt.«
    »Das hat man früher einmal angenommen. Jetzt weiß man das nicht mehr so sicher.«
    »Nun, nimm doch einmal an, nur um meiner Theorie nachzugehen, daß das gestörte Verhalten als Folge der Umwelt aufträte. Die Brüder stammten von denselben Eltern, wären in demselben Haus aufgezogen worden – in genau derselben Umgebung – könnte man sich da nicht vorstellen, daß sie auch identische Psychosen entwickeln?«
    Er kratzte sich am Kinn. »Vielleicht. Ich erinnere mich...« »Was?«
    »Ich habe auf der Polizeiakademie einen Kurs über abnormale Psychologie besucht«, erinnerte sich Tony. »Man versuchte uns beizubringen, wie man verschiedene Arten von Psychopathen erkennt und mit ihnen umgeht. Das war eine gute Idee. Wenn ein Polizist beim ersten Zusammentreffen mit einer irrational handelnden Person die Art von Geistesgestörtheit identifizieren kann, unter der der Betreffende leidet, oder wenigstens eine gewisse Vorstellung entwickelt, wie dieser Typ von Psychopath denkt oder reagiert, dann hat er eine viel bessere Chance, richtig mit ihm umzugehen. Wir schauten uns eine Menge Filme über solche Fälle an. Ich erinnere mich deutlich an einen – eine geradezu unglaubliche Studie einer Mutter und einer Tochter, beide paranoid und schizophren. Sie litten beide unter denselben Wahnvorstellungen.«
    »Da siehst du's!« meinte Hilary erregt. »Aber es handelte sich dabei um einen äußerst seltenen Fall.« »Das ist dieser auch.«
    »Ich weiß nicht. Möglicherweise war das der einzige Fall dieser Art, den man je feststellte.« »Aber möglich ist es immerhin.« »Nun, wert, darüber nachzudenken, meine ich.« »Ein Bruder ...«
    Sie wandten sich wieder ihrer Mahlzeit zu, und beide starrten nachdenklich ihre Sandwiches an.
    Plötzlich meinte Tony: »Verdammt. Jetzt fällt mir gerade etwas ein, das diese Brüdertheorie ins Wanken bringt.« »Was denn?«
    »Du hast ja wahrscheinlich am Freitag und am Samstag die Berichte in den Zeitungen gelesen.«
    »Nicht alle«, erklärte sie. »Es ist irgendwie ... nun, ich weiß nicht ... peinlich, wenn man so viel über sich selbst als Opfer eines Verbrechens liest. Einen Artikel habe ich gelesen, das reichte.«
    »Und du erinnerst dich nicht daran, was in dem Artikel stand?«
    Sie runzelte die Stirn und versuchte dahinterzukommen, auf was er rauswollte. Und dann wußte sie es. »Oh, ja, natürlich – Frye hatte keinen Bruder.«
    »Weder einen Bruder noch eine Schwester. Niemanden. Er war der Alleinerbe des Weingutes nach dem Tod seiner Mutter, das letzte Mitglied der Familie Frye, der letzte seines Namens.«
    Hilary wollte ihre

Weitere Kostenlose Bücher