Flüstern in der Nacht
eines Kunden sprechen.« Hardesty war allem Anschein nach vom selben Sprachtrainer ausgebildet worden.
Tony nickte. »Soweit mir bekannt ist, haben Sie am letzten Donnerstag Bruno Fryes Leiche für den Transport nach Santa Rosa vorbereitet.«
»Das ist richtig. Wir haben das im Auftrag eines Bestattungsinstituts in St. Helena gemacht.«
»Würden Sie mir bitte genau sagen, was Sie mit der Leiche taten, nachdem Sie sie aus der Leichenhalle abgeholt hatten?« Hardesty musterte ihn verständnislos. »Nun, wir haben den Verblichenen hierhergebracht und ihn bearbeitet.«
»Sie haben zwischen der Leichenhalle und hier nirgendwo angehalten?« »Nein.«
»War die Leiche zwischen dem Zeitpunkt, zu dem man sie Ihnen übergab und dem Transport zum Flughafen unbeaufsichtigt?«
»Unbeaufsichtigt? Nur ein oder zwei Minuten. Es mußte alles sehr schnell gehen, weil wir den Verblichenen mit dem Freitagnachmittagsflug mitschicken mußten. Hören Sie, können Sie mir sagen, was das alles bedeuten soll? Worauf wollen Sie denn hinaus?«
»Das weiß ich nicht genau«, antwortete Tony. »Aber vielleicht finde ich es heraus, wenn ich genügend Fragen stelle. Haben Sie ihn einbalsamiert?«
»Sicher«, entgegnete Hardesty. »Das mußten wir ja tun, weil er in einem öffentlichen Verkehrsmittel überführt wurde. Das Gesetz schreibt vor, die weichen Organe zu entfernen und den Verblichenen einzubalsamieren, ehe wir ihn in ein öffentliches Verkehrsmittel laden.« »Entfernen?« fragte Tony.
»Ja, das ist leider nicht sehr angenehm«, sagte Hardesty. »Aber die Eingeweide und der Magen und gewisse andere Organe sind da recht problematisch. Weil diese Organe mit sich in Auflösung befindlichen Abfallstoffen angefüllt sind, verfaulen sie einfach schneller als das restliche Gewebe. Um unangenehme Gerüche zu vermeiden und um den Verblichenen auch nach dem Begräbnis in idealer Weise zu konservieren, ist es notwendig, so viele solcher Organe wie möglich zu entfernen. Wir benutzen da eine Art Teleskopgerät mit einem beweglichen Haken am Ende. Wir führen es im Analbereich ein und –« Tony spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht entwich, und er hob schnell die Hand, um Hardesty zum Innehalten zu bewegen. »Ja, vielen Dank. Ich glaube, das ist alles, was ich wissen wollte. Jetzt ist mir das schon klar.« »Ich habe Sie gewarnt, daß es nicht besonders angenehm sein würde.«
»Nicht besonders«, pflichtete Tony ihm bei. Ihm war, als stecke ein Kloß in seiner Kehle. Er hustete, aber der Kloß war immer noch da. Wahrscheinlich würde er so lange steckenbleiben, bis er diesen Raum hier verlassen hatte. »Nun«, meinte er, zu Hardesty gewandt, »ich glaube, Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen mußte.«
Mit nachdenklich gerunzelter Stirn meinte Hardesty: »Ich weiß nicht, wonach Sie suchen, aber da gab es schon etwas Eigenartiges an dem Frye-Auftrag.« »Und was war das?«
»Es geschah zwei Tage, nachdem wir den Verblichenen nach Santa Rosa übersandt hatten«, fuhr Hardesty fort. »Sonntagnachmittag. Vorgestern. Jemand hat angerufen und wollte mit dem Techniker sprechen, der sich mit Bruno Frye befaßt hatte. Ich war hier, da ich Mittwoch und Donnerstag frei habe, also nahm ich den Anruf entgegen. Der Mann war sehr aufgebracht und warf mir vor, ich hätte schlampige Arbeit geleistet. Das stimmte nicht, ich habe, so gut das unter diesen Umständen möglich war, gearbeitet. Aber der Verblichene hatte ein paar Stunden in der heißen Sonne gelegen und war anschließend gekühlt worden. Und da gab es ja diese Stichwunden und die Einstiche des Leichenbeschauers. Ich kann Ihnen sagen, Mr. Clemenza, das Fleisch befand sich in keinem besonders guten Zustand, als ich den Verblichenen in Empfang nahm. Ich meine, kein Mensch konnte erwarten, daß er wie ein Lebender aussah. Außerdem war ich für die Kosmetikarbeit gar nicht zuständig. Das war Aufgabe der Bestattungsunternehmer in St. Helena. Ich versuchte, diesem Mann am Telefon klarzumachen, daß es nicht meine Schuld war, aber er ließ mich überhaupt nicht zu Wort kommen.« »Hat er seinen Namen genannt?« fragte Tony. »Nein, er ist nur immer wütender geworden, schrie mich an, brüllte und benahm sich wie ein Verrückter. Das Ganze muß ihn wirklich mitgenommen haben. Ich dachte, es handle sich vielleicht um einen Verwandten des Verblichenen, jemanden, der vor Schmerz und Leid halb außer sich wäre. Deshalb war ich auch sehr geduldig. Und als er dann wirklich hysterisch
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