Flüstern in der Nacht
Theorie nicht aufgeben. Immerhin war das die einzig vernünftige Erklärung nach den verrückten unsinnigen Ereignissen der letzten Zeit. Aber sie wußte nicht, wie sie an der Theorie festhalten konnte. Sie beendeten die Mahlzeit schweigend. Schließlich meinte Tony: »Wir können uns schließlich nicht in alle Ewigkeit vor ihm versteckt halten, und wir können auch nicht immer herumsitzen und warten, bis er dich findet.« »Die Idee, Köder in einer Falle zu spielen, gefällt mir gar nicht.«
»Jedenfalls liegt die Lösung nicht hier in Los Angeles.« Sie nickte. »Dasselbe habe ich auch gedacht.« »Wir müssen nach St. Helena.« »Und dort mit Sheriff Laurenski sprechen.« »Mit Laurenski und allen anderen, die Frye gekannt haben.« »Dazu brauchen wir möglicherweise einige Tage«, meinte sie.
»Nun, ich hab dir ja gesagt, daß ich noch eine Menge Urlaub habe. Zwei Wochen, alles zusammengezählt. Und ich fühle mich zum erstenmal, solange ich mich erinnern kann, überhaupt nicht danach, wieder mit der Arbeit zu beginnen.« »Okay«, sagte sie. »Wann fahren wir ab?« »Je früher, desto besser.«
»Aber nicht heute«, entgegnete sie. »Wir sind beide zu müde. Wir brauchen Schlaf. Außerdem möchte ich deine Gemälde zu Wyant Stevens bringen. Und dann muß ich veranlassen, daß ein Schätzer der Versicherungsgesellschaft den Schaden in meinem Haus feststellt. Und dem Reinigungsdienst will ich noch Bescheid sagen, die sollen Ordnung schaffen, während ich weg bin. Und wenn ich schon diese Woche nicht mit den Leuten von Warner Brothers über The Hour of the Wolf rede, dann muß ich mir zumindest eine Ausrede einfallen lassen – oder Wally Topelis beauftragen, ihnen entsprechende Ausreden aufzutischen.«
»Ich muß noch einen Abschlußbericht über die Schießerei verfassen«, sagte Tony. »Das hätte ich eigentlich heute vormittag erledigen sollen. Und dann brauchen die mich natürlich für die gerichtsmedizinische Untersuchung. Eine solche Untersuchung findet immer statt, wenn ein Polizeibeamter getötet wird – oder wenn er jemand anderen tötet. Aber wahrscheinlich wird die Untersuchung erst für nächste Woche angesetzt. Sollte das der Fall sein, so kann ich wahrscheinlich erreichen, daß sie sie auch noch etwas verschieben.« »Wann fahren wir also nach St. Helena?« »Morgen«, entgegnete er. »Franks Beisetzung ist um neun Uhr. Da will ich hin. Sehen wir also zu, ob wir mittags einen Flug bekommen.« »Wäre mir recht.«
»Wir haben eine Menge zu erledigen. Am besten fangen wir gleich an.«
»Eines noch«, sagte Hilary. »Ich glaube, es ist besser, diese Nacht nicht in deiner Wohnung zu verbringen.« Er ergriff über den Tisch hinweg ihre Hand. »Ich bin sicher, daß er dir dort nichts tun kann. Falls er es doch versucht, hast du ja mich, und ich besitze meine Dienstwaffe. Selbst wenn er wie Mr. Universum gebaut ist, gleicht eine Schußwaffe das aus.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Kann schon sein, daß du recht hast. Aber ich könnte dort nicht schlafen, Tony. Ich würde die ganze Nacht wachliegen und horchen, ob ich an der Tür oder an den Fenstern ein Geräusch höre.« »Wo willst du dann übernachten?«
»Laß uns doch heute nachmittag alles erledigen, was zu erledigen ist, und dann packen. Laß uns ein Zimmer in einem Hotel in Flughafennähe nehmen.«
Er drückte ihre Hand. »Okay. Wenn dir dabei wohler ist.«
»Ja.«
»Ich glaube, dann ist das wohl die beste Lösung.«
Am Donnerstag nachmittag um 16.10 Uhr legte Joshua Rhinehart in St. Helena im Büro den Telefonhörer auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er war sehr mit sich zufrieden. In den letzten zwei Tagen hatte er eine Menge erledigt. Jetzt drehte er sich im Sessel herum und blickte zum Fenster hinaus auf die Weingärten und die fernen Berge. Er hing fast den ganzen Montag am Telefon, hatte sich mit Bruno Fryes Banken, seinen Anlageberatern und Börsenmaklern auseinandergesetzt. Es fanden umfangreiche Gespräche darüber statt, wie der Besitz bis zur Liquidierung verwaltet werden sollte, und eine ziemlich hitzige Debatte entbrannte um die Frage, wie man die Anlagen am ertragreichsten zu Geld machen konnte, wenn die Zeit dafür gekommen sei. Das Ganze verlief recht langweilig, denn Frye besaß eine große Zahl verschiedenartigster Sparkonten auf mehreren Banken, Staatsobligationen, ein umfangreiches Portefeuille an Aktien, Immobilienbesitz und vieles andere mehr. Den Dienstagmorgen und den größten Teil des
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